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Das Werbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel soll aufgeweicht werden

Am 10. Dezember 2008 hat der für Unternehmens- und Industriepolitik zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission (G. Verheugen) einen Richtlinienentwurf vorgestellt, der die Information der breiten Öffentlichkeit über rezeptpflichtige Arzneimittel durch die pharmazeutische Industrie regeln soll (1). Davon waren die Hersteller bisher aus gutem Grund ausgeschlossen.

Der Richtlinienentwurf soll die Beteiligung der Hersteller an dieser Information nun europaweit möglich machen und standardisieren. Die Richtlinie soll sicherstellen, dass die Informationen aktuell, korrekt, beweiskräftig und unmissverständlich über Wirkungen und Nebenwirkungen Auskunft geben. Arzneimittelvergleiche sind ausgeschlossen. Dabei ergibt sich der Stellenwert eines Arzneimittels doch erst aus dem Vergleich mit anderen. Informationen in Funk und Fernsehen sind zwar weiter nicht zulässig, aber es darf in Zukunft „gesundheitsbezogene Publikationen”, Arzneimittel-Websites und Auskünfte auf Anforderung geben. Die verwendeten Texte sollen vorab genehmigt sein, es sei denn, ein anderer Kontrollmechanismus gewährleistet die Überwachung, ob die Vorschriften eingehalten wurden. Ein solcher Mechanismus darf auch die freiwillige Selbstkontrolle der Hersteller sein nach der Maßgabe von Leitlinien, die noch vor der endgültigen Verabschiedung des Richtlinienentwurfs geschaffen werden sollen.

Vor allem diese Klausel zeigt, dass es in dieser Richtlinie darum gehen soll, den Herstellern die Möglichkeit zu geben, ohne unabhängige Kontrolle einseitig, entsprechend ihrer speziellen Interessenlage zu „informieren”, das heißt zu werben. Wir haben immer wieder auf die Gefahren dieser Entwicklung hingewiesen (2). Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt dem EU-Parlament, den Entwurf abzulehnen (3).

Der ARZNEIMITTELBRIEF gehört der International Society of Drug Bulletins (ISDB) an. Es handelt sich dabei um einen weltweiten Zusammenschluss von medizinischen Informationsblättern, die völlig unabhängig von Unterstützungen durch die Pharmaindustrie arbeiten. Es gibt 57 Mitgliedsblätter in 35 Ländern. Die ISDB hat auf ihrer Generalversammlung in Matagalpa (Nicaragua) Anfang Dezember 2008 ihre Ablehnung der europäischen Entwicklung u.a. folgendermaßen formuliert (4): „… Die neue Richtlinie öffnet die Tür für die Werbung der Arzneimittelhersteller für rezeptpflichtige Arzneimittel direkt beim Verbraucher. … Dies würde sich negativ auf das öffentliche Gesundheitswesen auswirken, z.B. den irrationalen Gebrauch von Arzneimitteln fördern, sowie zu mehr unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Interaktionen führen. Die Kosten für den Patienten und das Gesundheitssystem würden ohne jeden absehbaren Nutzen steigen. … Schaden droht nicht nur in der Europäischen Union, sondern international. Es entsteht ein Präzedenzfall, der sich besonders in Ländern mit begrenzten regulatorischen Möglichkeiten negativ auswirken wird.

Die Sorge um die Gesundheit der Menschen muss Vorrang haben. Der Richtlinienentwurf sollte vom Europäischen Parlament komplett abgelehnt werden.”

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Literatur

  1. http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/pharmacos/pharmpack_en.htm Link zur Quelle
  2. AMB 2002, 36, 39b Link zur Quelle und AMB 2007, 41, 49. Link zur Quelle
  3. AkdÄ Newsletter 2008-131: http://www.akdae.de/49/2008-131PDF2.pdf Link zur Quelle
  4. http://www.isdbweb.org/pag/documents/20081216_ISDB_DTCAStatement_001.pdf Link zur Quelle