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Infektion mit Herpes-simplex-Virus-2 – eine neue Therapieoption

Bei genitalen Infektionen mit Herpesviren (HSV) – meist Typ 2 – vermindert eine Behandlung mit Nukleosid-Analoga (z.B. Aciclovir) durch Hemmung der HSV-DNS-Polymerase zwar die Symptome, verhindert aber meist nicht vollständig die Freisetzung des Virus. Für Sexualpartner bleibt daher ein Risiko, sich anzustecken (1, 2). Bei Aciclovir-Resistenz, wie sie bei immungeschwächten Patienten vermehrt gefunden wird, fehlen andere Therapieoptionen (3).

Das Thiazolylsulfonamid Pritelivir (BAY 57-1293, AIC316) ist die erste Substanz einer neuen Klasse antiviraler Wirkstoffe, die den Helikase-Enzym-Komplex von Herpesviren blockieren. Im Gegensatz zu Aciclovir muss dieser Wirkstoff nicht vorher durch eine Phosphorylierung in infizierten Zellen aktiviert werden und ist auch in nichtinfizierten Zellen aktiv. In vitro hat sich Pritelivir gegen HSV-1 und HSV-2 als wirksam erwiesen, auch gegen Aciclovir-resistente Stämme (4).

Zu Pritelivir wurde jetzt eine doppeltblinde US-amerikanische Dosisfindungsstudie mit insgesamt 156 HSV-2-positiven Personen (Alter ≥ 18 Jahre, Median ca. 40 Jahre; 104 Frauen) vorgelegt (5). Primärer Endpunkt war die Präsenz von HSV in täglich vorgenommenen genitalen Abstrichen. Es wurden die Zahl der Tage erfasst, an denen eine Virusausscheidung nachweisbar war, sowie die Menge der ausgeschiedenen Viren. Der virale Nachweis erfolgte mittels Real-Time-PCR. Der Test wurde ab einem Nachweis von ≥ 150 HSV-DNS-Kopien/ml als positiv bewertet. Bei > 5000 Kopien/ml wurde eine Sequenzierung durchgeführt, um Therapie-relevante Mutationen zu entdecken. Auch die Schleimhautläsionen wurden erfasst.

Die Patienten wurden in folgende fünf Gruppen randomisiert: 1. Plazebo (n = 30), 2. Pritelivir oral 5 mg/d (Initialdosis 20 mg; n = 33), 3. Pritelivir 25 mg/d (Initialdosis 100 mg; n = 32), 4. Pritelivir 75 mg/d (Initialdosis 300 mg; n = 29) und 5. Pritelivir 400 mg/Woche (n = 31). Die Therapie dauerte 29 Tage.

Nachweis von HSV in den Abstrichen während der 29 Tage (Angaben in Prozent): 16,6% bei Patienten in der Plazebo-Gruppe, 18,2% bei Patienten mit 5 mg Pritelivir/d, 9,3% bei Patienten mit 25 mg Pritelivir/d, 2,1% bei Patienten mit 75 mg Pritelivir/d und 5,3% bei Patienten mit 400 mg Pritelivir/Woche. Das relative Risiko der HSV-Ausscheidung unter Behandlung mit Pritelivir war, verglichen mit Plazebo: 1,11 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,65-1,87) bei der 5 mg/d-Gruppe, 0,57 (CI: 0,31-1,03) bei der 25 mg-Gruppe, 0,13 (CI: 0,04-0,38) bei der 75 mg-Gruppe und 0,32 (CI: 0,17-0,59) bei der Gruppe mit 400 mg/Woche. Der Prozentsatz der Tage, an denen HSV-Läsionen an der Genitalschleimhaut nachgewiesen wurden, war in der Behandlungsgruppe unter 75 mg/d bzw. 400 mg/Woche signifikant niedriger als unter Plazebo: 1,2% vs. 9%. Während der Studie traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen oder Veränderungen von Laborwerten auf. Bei einem Studienteilnehmer der 25 mg/d-Gruppe, der schon früher wegen Alkohol-assoziierter Pankreatitis behandelt worden war, kam es zwei Wochen nach Ende der Behandlung erneut zu einer Pankreatitis. Kopfschmerzen und Übelkeit wurden am häufigsten in der Gruppe mit 400 mg Pritelivir/Woche registriert. Insgesamt brachen drei Patienten die Therapie mit Pritelivir ab: ein Patient aus der 5 mg/d-Gruppe wegen Kopfschmerzen und Übelkeit, einer aus der 25 mg/d-Gruppe wegen des Verdachts eines Systemischen Lupus erythematodes und einer aus der Gruppe mit 400 mg/Woche wegen leichter Angstgefühle.

Im Mai 2013 wurde die weitere klinische Prüfung von Pritelivir von der FDA aufgehalten, weil in Versuchen an Affen mit Dosen zwischen 75 mg und 1000 mg/kg Körpergewicht unklare dermale und hämatologische Veränderungen aufgetreten waren. Solche UAW wurden in dieser klinischen Dosisfindungsstudie nicht beobachtet. Auf sie muss aber in den nun wahrscheinlich folgenden größeren Studien besonders geachtet werden. Der Autor des begleitenden Editorials und auch wir halten aber insgesamt die Entwicklung neuer antiviraler Wirkprinzipien für klinisch wichtig (6).

Fazit: Pritelivir reduziert bei genitaler Infektion mit Herpes-simplex-Viren die Freisetzung der Viren aus infizierten Zellen und die Zahl der Tage mit Schleimhautläsionen bei sonst gesunden Männern und Frauen. In größeren Studien muss überprüft werden, ob die dermalen Nebenwirkungen und hämatologischen Veränderungen, die unter höheren Dosierungen bei Affen aufgetreten sind, klinisch bedeutsam sind.

Literatur

  1. Elion, G.B., et al.:Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1977, 74,5716. Link zur Quelle
  2. Douglas, L.M., et al.:N. Engl. J. Med. 1984, 310, 1551. Link zur Quelle
  3. Crumpacker, C.S., etal.: N. Engl. J. Med. 1982, 306,343. Link zur Quelle
  4. Betz, U.A., et al.:Antimicrob. Agents Chemother. 2002, 46, 1766. Link zur Quelle
  5. Wald, A., et al.: N.Engl. J. Med. 2014, 370, 201. Link zur Quelle
  6. Whitley, R.J., und Prichard,M.: N. Engl. J. Med. 2014, 370, 273. Link zur Quelle