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Leserbrief: Stellenwert von Bisphosphonaten bei Frauen mit Brustkrebs

Frage von Dr. A.L. aus E.: >> Haben aktuelle Studien den therapeutischen Stellenwert von Bisphosphonaten, insbesondere die Gabe von Zoledronsäure alle sechs Monate, bei Frauen mit nicht metastasiertem Mammakarzinom in der adjuvanten Therapie bzw. zur Prophylaxe von Knochenkomplikationen untersucht? <<

Antwort: >> Bei Beantwortung der Frage muss unterschieden werden zwischen der Prophylaxe bzw. Behandlung der Osteoporose bei Patientinnen mit Mammakarzinom und der Verordnung von Bisphosphonaten im Rahmen der adjuvanten Therapie bei Frauen mit Frühstadien des Mammakarzinoms.

Auf den therapeutischen Stellenwert der Bisphosphonate und von Denosumab zur Behandlung der Osteoporose und die unter diesen Wirkstoffen auftretenden Nebenwirkungen (z.B. Osteonekrose, symptomatische Hypokalziämien) sind wir im ARZNEIMITTELBRIEF in den letzten Jahren wiederholt ausführlich eingegangen (1). Ziel der adjuvanten Therapie mit intravenös verabreichten Bisphosphonaten bei Patientinnen mit Mammakarzinom ist es, den Circulus vitiosus zu unterbrechen, der durch die von Tumorzellen sezernierten Wachstumsfaktoren ausgelöst wird und schließlich über RANK (RANK = receptor activator of nuclear factor kappa B) Ligand zu einer Aktivierung der Osteoklasten führt (2, 3). Dadurch soll der Abbau von Knochen verhindert, Knochenmetastasen vorgebeugt bzw. ihr Auftreten verzögert werden.

In präklinischen Modellen bzw. tierexperimentellen Untersuchungen wurde über synergistische antitumoröse Interaktionen zwischen Bisphosphonaten und Zytostatika in der Verhinderung von Skelettmetastasen berichtet (2). Demgegenüber haben die Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien zur Gabe von Bisphosphonaten ergänzend zur adjuvanten Standardtherapie widersprüchliche Ergebnisse gezeigt (2, 3). In einer offenen Phase-III-Studie an insgesamt 3.360 Patientinnen mit lokoregional begrenztem Mammakarzinom wurde durch Zoledronsäure zusätzlich zur adjuvanten (endokrinen oder zytostatischen) Systemtherapie weder das erkrankungsfreie Überleben (DFS = disease-free survival; primärer Endpunkt) noch das Gesamtüberleben (OS = overall survival; sekundärer Endpunkt) verlängert (2). Dementsprechend wurde auch in der „S3-Leitlinie Brustkrebs“ aus dem Jahr 2012 keine eindeutige Empfehlung für die adjuvante Therapie mit Bisphosphonaten bei Patientinnen mit Mammakarzinom ausgesprochen (4). Gleichzeitig wurde auf eine geplante Subgruppen-Analyse der Studien von Coleman, R.E. et al. hingewiesen, die bei postmenopausalen Patientinnen hinsichtlich des DFS und des OS einen geringen Vorteil der adjuvanten Therapie mit Zoledronsäure (HRDFS: 0,75; p = 0,02; HROS:0,74; p = 0,04) gezeigt hatte (4). Aus Sicht der Autoren der Leitlinie würde dies biologisch Sinn machen, da nur bei Patientinnen mit erhöhtem Knochenumsatz infolge Östrogen-Deprivation ein Effekt der Bisphosphonate zu erwarten ist.

Inzwischen liegen weitere Metaanalysen bzw. eine Übersichtsarbeit zur Beeinflussung des DFS bzw. OS von Frauen mit lokoregional begrenztem Mammakarzinom vor (3, 5). Die im Dezember 2013 anlässlich des San Antonio Breast Cancer Symposiums präsentierte, bisher noch unveröffentlichte Metaanalyse von R. Coleman et al. basiert auf insgesamt 36 klinischen Studien, in denen unterschiedliche Bisphosphonate – etwa zwei Drittel der Ergebnisse stammten aus Studien mit Zoledronsäure – bei insgesamt 22.982 Patientinnen untersucht wurden (5). Diese Metaanalyse ergab für die adjuvante Gabe von Bisphophonaten eine signifikante Verringerung von Skelettmetastasen und eine Verlängerung des Gesamtüberlebens bei postmenopausalen Patientinnen. Die relative Risikoreduktion (34% im Auftreten von Knochenmetastasen, 17% hinsichtlich der Letalität) war unabhängig vom Hormonrezeptor- oder Lymphknotenstatus sowie der Verordnung von Zytostatika im Rahmen der adjuvanten Therapie. Bei prämenopausalen Patientinnen war kein Vorteil der adjuvanten Therapie mit Bisphosphonaten erkennbar.

Zu einer ähnlichen Bewertung kommt eine 2014 publizierte Übersichtsarbeit von M. Gnant, die über aktuelle Studien zur Gabe von Bisphosphonaten berichtet – jedoch ausschließlich bei postmenopausalen Patientinnen mit lokoregional begrenztem Mammakarzinom (3). Insgesamt wurden 24 Publikationen zur adjuvanten Therapie berücksichtigt, die den Erhalt der Knochendichte während der Therapie des Mammakarzinoms und die antitumoröse Wirksamkeit der Bisphosphonate untersuchten. Die Ergebnisse dieser klinischen Studien unterstützen nach Ansicht des Autors die Behandlung mit Bisphosphonaten, insbesondere von zweimal jährlich i.v. Zoledronsäure, im Rahmen der adjuvanten Therapie bei postmenopausalen Frauen – vor allem bei Patientinnen, die bei der Diagnose des Mammakarzinoms fünf oder mehr Jahre postmenopausal waren. Darüber hinaus empfiehlt M. Gnant bei postmenopausalen Frauen, die eine adjuvante Systemtherapie erhalten, die begleitende Gabe von Bisphosphonaten, um eine Abnahme der Knochendichte und daraus resultierende Skelettkomplikation zu vermeiden. Die optimale Dosierung, ebenso wie Wirksamkeit und Sicherheit der unterschiedlichen Bisphosphonate müssen jedoch noch in weiteren, teilweise bereits laufenden klinischen Studien untersucht werden.

Bei der Interpretation der klinischen Studien, aber auch der Übersichtsarbeit von M. Gnant, ist eine möglicherweise verzerrte Darstellung der Evidenz zu berücksichtigen. Dies resultiert aus den zahlreichen Interessenkonflikten der beteiligten Autoren, aber auch aus der Tatsache, dass alle relevanten klinischen Studien zu diesem Thema von pharmazeutischen Unternehmern gesponsert wurden.

Bei der Verordnung der intravenös zu verabreichenden Bisphosphonate ist zu berücksichtigen, dass Zoledron- und Pamidronsäure bei Patientinnen mit Mammakarzinom bisher nur eine Zulassung zur „Prävention skelettbezogener Komplikationen bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenen, auf das Skelett ausgedehnten Tumorerkrankungen haben“ (6). Bei der Verordnung dieser Bisphosphonate im Rahmen der adjuvanten Systemtherapie des Mammakarzinoms – jenseits der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose – handelt es sich somit um einen Off-Label-Use. <<

Literatur

  1. AMB 2014, 48, 53b Link zur Quelle . AMB 2014, 48,95 Link zur Quelle . AMB 2009, 43, 95b Link zur Quelle.AMB 2007, 41, 81 Link zur Quelle . AMB 2004, 38,60a. Link zur Quelle
  2. Coleman, R.E., et al. (AZURE = Adjuvant Zoledronicacid to redUce REcurrence): N. Engl. J. Med.2011, 365, 1396. Link zur Quelle
  3. Gnant, M.: Cancer Treat. Rev. 2014, 40, 476. Link zur Quelle
  4. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-045OL_l_S3__ Brustkrebs_Mammakarzinom_Diagnostik _Therapie_Nachsorge_2012-07.pdfLink zur Quelle
  5. Coleman, R., et al. (EBCTG = Early Breast CancerTrialists’ Collaborative Group): Link zur Quelle
  6. Beispielsweise: http://www.fachinfo.de/suche/fi/014567 Link zur Quelle (Zoledronsäure) und http://www.fachinfo.de/suche/fi/005141 Link zur Quelle (Pamidronsäure).