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Leserbrief: Hat sich an der postmenopausalen Hormonersatz-Therapie etwas geändert?

Schreiben von Dr. P.L. aus B.: >> Ich bin auf Ihre Besprechung des Artikels aus dem N. Engl. J. Med. vom 3. März 2016 gespannt mit dem Titel „Menopause Management – Getting Clinical Care Back on Track“ (1). <<

Antwort: >> Die Autorin des Artikels, J.E. Manson und der Autor A.M. Kaunitz, sind Mitarbeiter der Women’s Health Initiative (WHI) und J.E.M. ist zudem Mitglied des WHI Steering Committee. Trotz des Titels, der eine therapeutische Korrektur der HRT suggerieren könnte, enthält der Artikel unseres Erachtens nichts Neues hinsichtlich der Richtlinien für die Hormonersatz-Therapie (HRT) um und nach der Menopause. Wir haben umfangreich in zwei Hauptartikeln (2, 3) über die Ergebnisse der WHI-Studien und in einer wichtigen ergänzenden Kleinen Mitteilung über die sog. „Timing-Hypothese“ berichtet (4); sie sind auf unserer Website nachzulesen. Die von uns unter anderen referierten umfangreichen plazebokontrollierten WHI-Studien (2) hatten das Ziel zu klären, ob eine postmenopausale HRT (mit Östrogenen allein bei Zustand nach Hysterektomie oder mit Östrogen/Gestagen = Ö/Ge) zur Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet ist. Die in die Studien-Teile eingeschlossenen Frauen waren 50-79 Jahre, im Mittel ca. 65 Jahre alt. Die Studien wurden wegen einer erhöhten Inzidenz von Mammakarzinomen nach 5 bzw. 6 Jahren abgebrochen mit dem zusätzlichen Ergebnis, dass kardiovaskuläre Komplikationen unter HRT eher zu- als abgenommen hatten. Diese Ergebnisse wurden als alarmierend angesehen und in der Tagespresse weltweit diskutiert. Sie führten zu einem starken Rückgang der Verordnungen von HRT-Präparaten. Auf Wunsch der Frauen wurden sie oft abrupt abgesetzt, was bekanntlich bei den meisten wieder zu Hitzewallungen und nächtlichem Schwitzen etc. führt.

Erst im Jahr 2007 veröffentlichten die Autoren der WHI-Studien ihre Ergebnisse auch getrennt nach Altersgruppen der Frauen bei Einschluss in die Studien (4, 5). Es ergab sich, dass Frauen, die zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr mit der HRT begonnen hatten – also bald nach Eintreten der Menopause – keine höheren (bei Einnahme von Ö) oder nur minimal höhere (bei Einnahme von Ö/Ge) kardiovaskuläre Komplikationsraten hatten als die Frauen in den Plazebo-Gruppen. Hätte man diese nach Alter spezifizierten Daten bereits in der ersten WHI-Studie publiziert, hätte sich der Sturm der Diskussion um die Ergebnisse der WHI-Studie zu Beginn des Jahrtausends weitgehend vermeiden lassen.

Der Artikel von Manson und Kaunitz (1) stellt nun fest, dass die systemische Behandlung postmenopausaler Frauen mit Ö- oder Ö/Ge-Präparaten seit 2002 in den USA um ca. 80% gesunken ist. Viele Frauen benutzen stattdessen von der FDA nicht geprüfte und nicht zugelassene pflanzliche oder andere „Over the counter“-Präparate, ohne dass die meisten dadurch eine wesentliche Besserung ihrer menopausalen Beschwerden erfahren. Gründe hierfür seien, dass die Kompetenz in der Beratung symptomatischer menopausaler Frauen bei jüngeren Ärzten/Ärztinnen abgenommen hat und dass sie keine oder nur geringe Kenntnisse haben in der Verordnung von HRT-Präparaten bzw. nichthormonalen Alternativen (vgl. 6) nach gründlicher Aufklärung und Entscheidung durch die Patientinnen. In einer Grafik werden erneut die Risiken und der Nutzen einer HRT bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren dargestellt. Die gleichen Zahlen haben wir 2007 (4) in anderer grafischer Form unseren Lesern bereits mitgeteilt. Manson und Kaunitz schätzen den Prozentsatz der postmenopausalen Frauen, die starke oder mäßige, den Tagesablauf störende Beschwerden haben, auf ca. 20%. Für solche Frauen seien Ö bzw. Ö/Ge die beste und oft einzig wirksame Therapie. Voraussetzung für die Verordnung nach Aufklärung und Zustimmung der Frauen sei aber der Ausschluss wesentlicher Kontraindikationen, beispielsweise erhöhtes Risiko für Brustkrebs oder thromboembolische Ereignisse. Nationale und globale Richtlinien von gynäkologischen und Menopausen-Gesellschaften geben hierzu genauere Auskunft.

Unsere Therapieempfehlungen von 2006 (3) halten wir für weiterhin gültig. Wir haben nicht den Eindruck, dass Gynäkologen und Ärzte allgemein in Deutschland hinsichtlich Beratung und Empfehlungen zur HRT ähnlich ignorant sind wie angeblich die jüngeren Ärzte und Ärztinnen in den USA und dass sie auch ohne strenge Indikation Frauen noch zur HRT raten.

Die Befürworter einer HRT bei früh-postmenopausalen Frauen, die unter dem Gesichtspunkt der kardiovaskulären Protektion auch bei Frauen ohne wesentliche menopausale Beschwerden eine HRT erwägen, sind weiter am Forschen. In einer Studie mit dem Akronym ELITE (unterstützt von den National Institutes of Health) wurde gefunden, dass eine HRT über 5 Jahre bei Frauen mit Einschluss in die Studie früher als 6 Jahre nach der Menopause zu einer geringeren Progredienz von subklinischer Karotis-Verkalkung führt, während Koronarkalk nicht beeinflusst wurde (beides mit CT ermittelt; 7). Bei Frauen, die später als 10 Jahre nach der Menopause in die Studie eingeschlossen wurden, war der Effekt an den Karotiden nicht festzustellen. Ähnliche Studien mit genetischen Zusatzuntersuchungen werden im Rahmen von KEEPS durchgeführt (8). Andere Forschergruppen versuchen mit Hilfe von Selektiven Estrogen Receptor Modulators (SERMS), die an den Ö-Ziel-Organen/Systemen (Mamma, Uterus, Knochen, Gerinnung) unterschiedliche Wirkungen erzielen, Wirkstoffe zu entwickeln, die postmenopausale Beschwerden effektiv lindern mit wenig negativen oder vielleicht sogar mit wünschenswerten metabolischen Effekten. Bereits lange für andere Indikationen eingeführte SERMS sind z.B. Raloxifen und Tamoxifen.

Aus unserer Sicht gibt es – unverändert – außer bei mittelschweren bis schweren, den Tagesablauf erheblich belastenden klimakterischen Beschwerden nach Aufklärung über die Risiken keine vertretbare Indikation für eine postmenopausale HRT. Selbst dann sollte sie nicht länger dauern als drei Jahre. <<

Literatur

  1. Manson, J.E.,und Kaunitz, A.M.: N.: Engl. J. Med. 2016, 374, 803. Link zur Quelle
  2. AMB 2001, 35, 17. Link zur Quelle
  3. AMB 2006, 40, 57. Link zur Quelle
  4. AMB 2007, 41, 85. Link zur Quelle
  5. Rossouw, J.E., et al.(WHI = Women’s Health Initiative): JAMA 2007, 297,1465. Link zur Quelle
  6. Stuenkel, C.A., et al.: J. Clin.Endocrinol. Metab.2015, 100, 3975. Link zur Quelle
  7. Hodis, H.N. et al. (ELITE = Earlyversus Late Intervention Trial with Estradiol): N.Engl. J. Med. 2016, 374, 1221. Link zur Quelle
  8. Miller, V.M. et al. (KEEPS = Kronos EarlyEstrogen Prevention Study): Physiol. Genomics 2016, 48,33. Link zur Quelle