Artikel herunterladen

Weniger Rezidive von Vorhofflimmern bei geringerem Alkoholkonsum?

Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass Alkoholkonsum dosisabhängig die Häufigkeit von Vorhofflimmern (Vofli) steigert und häufiger mit Rezidiven von Vofli nach erfolgreicher Ablation, aber auch mit strukturellen Veränderungen des linken Vorhofs (Vergrößerung, Fibrosierung) assoziiert ist (1). Ein starker Alkoholkonsum ist außerdem assoziiert mit Erkrankungen, die selbst Vofli begünstigen, wie obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, arterielle Hypertonie und Linksherzinsuffizienz. Schon bei einem regelmäßigen Konsum von ≥ 7 alkoholischen Getränken pro Woche (sog. Standard-Drinks à 12 g Alkohol, entspricht etwa 2 Liter Bier oder 0,7 Liter Wein) können Folgeschäden auftreten. Nach Studien zur Änderung der Lebensgewohnheiten bei Übergewichtigen gibt es Hinweise, dass sich eine Reduzierung des Alkoholkonsums auf etwa 3 Standard-Drinks pro Woche neben einer Gewichtsabnahme auch günstig auf die Häufigkeit von Arrhythmien und Fibrosierungsprozessen in den Herzvorhöfen auswirkt (2, 3).

Jetzt wurden die Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie aus Australien publiziert, die prospektiv mit offenem Design den Einfluss von Alkoholabstinenz in der Sekundärprävention des paroxysmalen Vofli untersuchte (4). Die Studie wurde aus öffentlichen Mitteln finanziert.

Studiendesign: Eingeschlossen wurden 140 Teilnehmer im Alter von 18-85 Jahren (im Mittel 62 Jahre, ca. 85% Männer). Etwa 70% der fast 700 gescreenten Probanden waren nicht bereit, ggf. für 6-12 Monate auf Alkohol zu verzichten. Einschlusskriterium war paroxysmales Vofli mit mindestens zwei Episoden in den letzten 6 Monaten vor Studienbeginn oder persistierendes Vofli, das unter medikamentöser Behandlung in den Sinusrhythmus umgeschlagen war. Alle Teilnehmer konsumierten regelmäßig etwa 120 g Alkohol pro Woche (10 Standard-Drinks). Das entspricht etwa 3 Liter Bier mit 5,0 Vol.% oder 1,25 Liter Wein mit 12 Vol.% Alkoholgehalt. Ausschlusskriterium war Alkoholmissbrauch mit Abhängigkeit, eine psychiatrische Begleiterkrankung und Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 35%. Der tägliche Alkoholkonsum wurde in einem Tagebuch protokolliert. Nach einer Vorlaufzeit von 4 Wochen wurden die Teilnehmer 1:1 randomisiert in eine prospektive Abstinenzgruppe und in eine Gruppe, die den gewohnten Alkoholkonsum beibehalten sollte (Kontrollgruppe). Alle Teilnehmer mussten zu Studienbeginn im Sinusrhythmus sein, mit oder ohne Antiarrhythmika. Eine Ablationstherapie durfte nicht geplant sein, und die spezifische antiarrhythmische Medikation mit Amiodaron, Sotalol oder Flecainid (ca. zwei Drittel der Probanden) sollte während der Studienlaufzeit nicht geändert werden. Der CHA2DS2-VASc-Score betrug in der Abstinenzgruppe im Mittel 1,5 und in der Kontrollgruppe 1,3. Die Teilnehmer der Abstinenzgruppe wurden angehalten, während der folgenden 6 Monate möglichst gar keinen Alkohol zu konsumieren. Zur Kontrolle wurde der Urin im Verlauf unangekündigt auf Alkohol-Abbauprodukte untersucht.

Der Herzrhythmus wurde überwacht entweder mittels implantierter Herzschrittmacher oder Loop-Recordern (38%) oder über eine intermittierende EKG-Analyse mittels „AliveCor App“. Dabei wurde der Herzrhythmus über 30 sec mittels Smartphone zweimal täglich aufgenommen und übertragen, unabhängig von Symptomen. Bei Palpitationen sollte eine zusätzliche Rhythmusanalyse bei Beginn und Ende versandt werden. Bei 4 Patienten, die nicht am Monitoring-System teilnehmen konnten, wurde ein Holter-Monitoring für 7 Tage angelegt. Alle EKG wurden bei Rhythmusauffälligkeiten von zwei unabhängigen, verblindeten Kardiologen hinsichtlich Vofli analysiert. Als Vofli wurde eine Flimmerepisode von > 30 Sekunden gewertet. Primäre Endpunkte waren die Zeitintervalle bis zum Rezidiv und die Gesamtzeit des Vofli. Sekundäre Endpunkte waren die Häufigkeit stationärer Aufnahmen wegen Vofli, Verlauf von Körpergewicht und Blutdruck, die Lebensqualität und die Einstufung der Symptome nach der European Heart Rhythm Association (EHRA-Score; vgl. 10).

Ergebnisse: Die 70 Teilnehmer der Abstinenzgruppe reduzierten ihren Alkoholkonsum insgesamt von 16,8 ± 7,7 auf 2,1 ± 3,7 Drinks pro Woche; das entspricht einer Reduktion auf etwa 0,63 Liter Bier oder 0,26 Liter Wein pro Woche. Komplett abstinent waren 43 Patienten. Im Vergleichskollektiv dagegen nahm der Alkoholkonsum nur gering von 16,4 ± 6,9 auf 13,2 ± 6,5 Drinks pro Woche ab. Nach 6 Monaten waren in der Abstinenzgruppe Vofli-Rezidive bei 37 der Teilnehmer registriert worden, in der Kontrollgruppe bei 51. Auch war die Zeit bis zu einem Vofli-Rezidiv in der Abstinenzgruppe länger als bei den Kontrollen (Hazard Ratio: 0,55; CI: 0,36-0,84; p = 0,005), und die Gesamtzeit im Vofli während des Beobachtungszeitraums von 6 Monaten halb so hoch wie bei gleichbleibendem Alkoholkonsum (p = 0,01). In der Kontrollgruppe mussten wegen Vofli auch mehr als doppelt so viele Teilnehmer (n = 14) stationär behandelt werden als in der Interventionsgruppe (n = 6), und die Symptome der Rezidive waren ebenfalls stärker. Zu Beginn der Studie war das mittlere Körpergewicht in beiden Gruppen gleich. Nach 6 Monaten wogen die Teilnehmer der Abstinenzgruppe im Mittel 3,7 kg weniger. Die Blutdruckwerte waren wegen zu geringer Zahl der Messungen nicht verlässlich auszuwerten.

Diese Ergebnisse gleichen denen einer großen Metaanalyse, in der schon bei einem geringen Alkoholkonsum von 7 Drinks pro Woche eine erhöhte Inzidenz von Vofli gefunden wurde (5). Von Patienten mit Vofli gaben in einer Studie 35% an, dass Alkohol bei ihnen Episoden von Vofli triggert (6). Eine Erweiterung des linken Vorhofs und eine Beeinträchtigung der Regulierung der Herzfrequenz wurden auch nach Alkoholexzessen gefunden (7, 8). Es besteht also offensichtlich eine toxische Wirkung von Alkohol an den Herzmuskelzellen. In einer Metaanalyse aus 36 Studien war außerdem eine Reduzierung des Alkoholkonsums auch mit einer Senkung des Blutdrucks assoziiert (9). Alkohol sollte also nicht nur als potenzieller Trigger für Vofli, sondern auch als potenziell kausaler Faktor angesehen werden. In der Sekundärprävention ist deshalb die Empfehlung einer weitgehenden Alkoholkarenz ein besserer Rat und verträglicher als eine Dosissteigerung von Antiarrhythmika.

Fazit: Weitgehende Alkoholabstinenz über 6 Monate reduzierte in einer kleinen multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie in der Sekundärprophylaxe Rezidive von Vorhofflimmern um fast 50%. Zudem kam es zu einer deutlichen Gewichtsabnahme. Alkoholkarenz ist bei Vorhofflimmern als Erstlinientherapie sehr empfehlenswert und darüber hinaus verträglicher als eine Dosissteigerung von Antiarrhythmika oder aufwändige Ablationsprozeduren.

Literatur

  1. Voskoboinik, A., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2016, 68, 2567. Link zur Quelle
  2. Pathak, R.K., et al. (ARREST-AF = Aggressive Risk factor REduction STudy for Atrial Fibrillation): J. Am. Coll. Cardiol. 2014, 64, 2222 Link zur Quelle. Vgl. AMB 2014, 48, 55. Link zur Quelle
  3. Pathak, R.K., et al. (LEGACY = Long-term Effect of Goal directed weight management on Atrial fibrillation Cohort: A 5 Year follow-up study): J. Am. Coll. Cardiol. 2015, 65, 2159. Link zur Quelle
  4. Voskoboinik, A., et al.: N. Engl. J. Med. 2020, 382, 20. Link zur Quelle
  5. Larsson, S.C., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2014, 64, 281. Link zur Quelle
  6. Groh, C.A., et al.: Heart Rhythm 2019, 16, 996. Link zur Quelle
  7. Koskinen, P., et al.: Clin. Sci. 1994, 87, 225. Link zur Quelle
  8. McManus, D.D., et al.: J. Am. Heart Assoc. 2016, 5, e004060. Link zur Quelle
  9. Roerecke, M., et al.: Lancet Public Health 2017, 2, e108. Link zur Quelle
  10. https://www.chadsvasc.org/ Link zur Quelle

Abbildung 2020-11-1.gif