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Guillain-Barré-Syndrom nach Grippeschutzimpfung

Das Guillain-Barré-Syndrom ist gekennzeichnet durch symmetrischen Reflexverlust und Lähmungen, die gewöhnlich an den unteren Extremitäten beginnen, aufsteigen und bis zur Atemlähmung führen können. In der Regel kommt es später zu einer kompletten oder fast kompletten Remission. Diesem potentiell bedrohlichen Syndrom liegt häufig eine Immunreaktion zugrunde, z.B. nach einer Infektion mit Viren oder Campylobacter jejuni. Aber auch nach Tetanus- oder Polio-Vakzination kommt es vor. In den Jahren 1976/77 wurde es häufiger auch nach Influenza-Vakzination in den USA gesehen. In den letzten Jahren entstand der Eindruck, daß die Häufigkeit zunimmt. Eine umfassende epidemiologische Studie sollte jetzt Aufschluß darüber geben, ob der Eindruck einer zunehmenden Gefährlichkeit der Grippeschutzimpfung real ist (Lasky, T., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 339, 1797).

In der Impfsaison 1992/93 und 1993/94 wurde die Zahl der Guillain-Barré-Syndrome in vier US-amerikanischen Staaten festgestellt. Telefonisch wurde dann erfragt, ob und wann diese Patienten zuvor eine Grippeschutzimpfung erhalten hatten. Darüber hinaus wurde nach einer telefonischen Befragung von etwa 1000 Einwohnern hochgerechnet, wie viele Einwohner insgesamt geimpft worden waren.

Im Beobachtungszeitraum wurden 298 Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom identifiziert. 19 Patienten hatten eine Influenza-Vakzination innerhalb von sechs Wochen vor Ausbruch der Erkrankung erhalten. Daher wurde bei diesen ein kausaler Zusammenhang hergestellt. Bei 9 der 19 Patienten begann die Symptomatik in der zweiten Woche.

Im Herbst/Winter 1992/93 wurden 2,8 Mio. Menschen in den vier Staaten gegen Grippe geimpft und 1993/94 3,6 Mio. Das relative Risiko, nach der Vakzination ein Guillain-Barré-Syndrom zu erleiden, war in der Impfsaison 1992/93 2,0 und im Jahr 1993/94 1,5. Nimmt man beide Beobachtungsjahre zusammen, so war der Unterschied in der Häufigkeit zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften signifikant, auch wenn – in absoluten Zahlen ausgedrückt – der Unterschied nur darin besteht, daß durch etwa 1 Mio. Vakzinationen ein Guillain-Barré-Syndrom ausgelöst wurde; dies war gleichbleibend in den beiden beobachteten lmpfperioden.

Fazit: Wie auch die Autoren eines Editonals im N. Engl. J. Med. (Ropper; A.H., und Victor, M.: N. Engl. J. Med 1998, 339, 1845) im einzelnen ausführen, ist die Grippeschutzimpfung zwar als ein Risikofaktor für das Guillain-Barré-Syndrom anzusehen. Eine Kontraindikation gegen die Vakzination ist aber aus diesem Grund nicht abzuleiten, denn der Nutzen durch die Impfung, d.h. durch verhinderte Grippeinfektionen, ist viel größer. Daher ließen sich auch beide Verfasser des Editorials impfen.