Venöse Beingeschwüre sind mit einer Prävalenz von 1% (4%-5% bei den Über-80-Jährigen) eine sehr häufige Erkrankung (1), die mit erheblichem Pflegeaufwand und Kosten verbunden ist. Die Abheilraten sollen bei adäquater Therapie zwischen 60% und 90% nach drei Monaten Behandlung liegen. Die Rezidivrate ist jedoch hoch: 30%-57% innerhalb des ersten Jahres (1).
Venöse Beingeschwüre sind die Folge einer chronischen Stauung im venösen System. Sie müssen mit Kompression von außen behandelt werden, z.B. durch feste Stützstrümpfe. Darunter werden Wundverbände aufgelegt, um im feuchten und warmen Milieu den Heilungsprozess zu unterstützen. Ein Verkleben des Verbands mit der Wunde sowie Superinfektionen sollen vermieden werden. Weiterhin sollen die Wundauflagen Schmerz und Juckreiz lindern und somit den Komfort des Patienten erhöhen.
Während man früher in Kochsalzlösung getränkte Kompressen für die feuchte Wundheilung verwendete, sind heute verschiedene vorgefertigte Wundauflagen erhältlich, die teilweise sehr teuer sind (3-6 EUR pro Auflage; s. Tab. 1) und deren zusätzlicher Nutzen fragwürdig ist. Die deutsche dermatologische Gesellschaft empfiehlt in ihren Leitlinien daher auch, den Wundverband nach seiner biologisch/ökologischen Verträglichkeit und dem Preis-Wirksamkeits-Verhältnis auszuwählen (1). Das Marketing der Hersteller richtet sich – möglicherweise auch deshalb – überwiegend an die Krankenpflege und Selbsthilfe-Organisationen (2, 3).
Die verschiedenen Wundauflagen sollen dazu dienen, oberflächliche wie tiefe Wunden feucht zu halten und überschüssiges Wundsekret zu binden, um die Wundreinigung durch körpereigene Enzyme, Granulation und Epithelisierung zu unterstützen. Eine Einteilung der etwas unübersichtlichen Wirkprinzipien lässt sich nach Hydrokolloiden, Schäumen, Alginaten und Hydrogelen vornehmen. Hydrogele enthalten Wasser in Gelform, das an trockene Wunden abgegeben wird, nekrotisches und trockenes Gewebe aufweicht und die Autolyse fördern sollen. Alginate werden als Vlies in tiefe Wunden eingelegt, füllen diese aus und sollen die Granulation anregen. Hydrokolloide dienen als Sekundärverbände. Sie bestehen neben einer semipermeablen Polyurethanfolie aus einer sekretaufnehmenden Matrix und einem der Haut und der Wunde zugewandten Klebstoff. Schaumstoffe sind stärker saugend als Hydrokolloide und werden in allen Phasen der Wundheilung zum Feuchthalten der Wunde, zur Aufnahme von Wundexsudat und als Schutz vor Kontaminationen von außen (wasser- und keimdichte Barriere) eingesetzt.
In einer Metaanalyse im BMJ wurden jetzt 42 Studien mit insgesamt 3001 Patienten und verschiedenen Wundverbänden verglichen (4). Der untersuchte Endpunkt war die Zeit bis zur Heilung des Geschwürs oder der Anteil des Geschwürs, der komplett abgeheilt war. Die mittlere Studiendauer bzw. die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 14 Wochen, der Median der Studiendauer gerade einmal acht Wochen.
Hydrokolloide wurden gegen wenig adhärente Wundverbände, wie imprägnierte Wundgaze, Schaumverbände, Alginate, andere Hydrokolloide, eine Magnesiumsulfatpaste, ein Hydrogel und andere Wundauflagen (Kollagen-Wundauflagen, Mullkompressen), getestet (23 Studien). Schaumverbände wurden im Vergleich zu wenig adhärenten Wundverbänden, anderen Schaumverbänden, Alginaten und Silikonwundauflagen evaluiert (fünf Studien). Alginate wurden gegen wenig adhärente Wundverbände, einen Schaumverband und andere Alginate getestet (sechs Studien) und Hydrogele mit wenig adhärenten Wundverbänden, anderen Hydrogelen und verschiedenen anderen einfachen Wundauflagen (Kochsalztupfer, kombinierte Saugkompressen) verglichen (fünf Studien). Drei weitere Studien evaluierten unterschiedliche andere Wundauflagen (z.B. Faservlies aus einem Ester der Hyaluronsäure, imprägnierte Wundgaze) im Vergleich.
Die meisten der in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien hatten kritisch kleine Probandenzahlen (Bandbreite 13-200, im Durchschnitt 76, Median 70 Patienten), was ihre Aussagekraft erheblich einschränkt. Weiterhin wurden die Endpunkte oft von subjektiven Kriterien wie „Einfachheit bei der Handhabung” oder „Patientenkomfort” bestimmt. Angesicht der Tatsache, dass es in der Regel Monate dauert, bis venöse Geschwüre abgeheilt sind, waren die meisten Studien auch von viel zu kurzer Dauer, sodass nicht alle Heilungsprozesse und Komplikationen beschrieben worden sein können. Auch sind die Studien kaum zu vergleichen, weil die Einschlusskriterien (Fläche des Geschwürs) bzw. die Endpunkte (z.B. prozentualer Anteil der abgeheilten Fläche) nicht übereinstimmen. Weiterhin fehlen in den meisten Studien Angaben zur Lebensqualität, oder sie waren mangelhaft, obwohl doch gerade dies ein Kriterium beim Vergleich von Wundverbänden ist. Die Mehrheit der Studien wurde von den Herstellern der Wundauflagen in Auftrag gegeben und bezahlt. Randomisierungs- und Verblindungsstrategien wurden nur in drei Studien angegeben. Nur in einer Studie war die Beurteilung des Heilungserfolgs bezüglich des verwendeten Wundverbands verblindet. Alle diese Punkte zeigen, dass das Wissen über den Nutzen der Wundauflagen objektiv so gering ist, dass sich eine fundierte Metaanalyse eigentlich verbietet. Das Ergebnis der Analyse im BMJ war, dass weder Hydrokolloide noch Schaumverbände, Hydrogele oder Alginate statistisch signifikante Vorteile bezüglich der vollständigen Abheilung der Geschwüre haben (4).
Fazit: Derzeit ist es nach einer aktuellen Metaanalyse nicht möglich, einen bestimmten Wundverband einem anderen für die Heilung venöser Beingeschwüre vorzuziehen. Gemessen an der Häufigkeit dieser Erkrankung ist das Wissensdefizit eklatant. Das Fehlen größerer prospektiver Studien muss als Verschleierungstaktik angesehen werden. Die vielerorts empfohlene und praktizierte Bevorzugung von Hydrokolloiden im Vergleich zu einfachen, nicht haftenden Wundverbänden scheint aufgrund der vorliegenden Daten nicht gerechtfertigt, zumal Hydrokolloide im Vergleich zu einfachen Wundauflagen auch ein hohes Allergiepotenzial haben. Daher sollten die unter Berücksichtigung des Aufwands für das Pflegepersonal kostengünstigsten Wundauflagen verwendet werden.
Literatur
- Deutsche dermatologische Gesellschaft: Link zur Quelle
- www.wundplattform.at Link zur Quelle
- www.cws-ev.de Link zur Quelle
- Palfreyman, S., et al.: BMJ 2007, 335, 244. Link zur Quelle