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Antibiotische Therapie bei „grippalem Infekt“ oder Sinusitis?

Ausgaben in Millionenhöhe werden durch die antibiotische Therapie des banalen grippalen Infektes verursacht. Im Lancet erschienen unlängst zwei Studien zur primären antibiotischen Behandlung der Sinusitis maxillaris (1) bzw. des grippalen Infektes (2).

Schon 1981 wies eine Studie darauf hin, daß eine primäre antibiotische Behandlung der akuten Sinusitis maxillaris nicht sinnvoll erscheint, wenn 80% dieser Patienten auch ohne antibiotische Therapie nach 14 Tagen völlig beschwerdefrei werden (3). In einer randomisierten, doppeltblinden Studie (1) wurden jetzt 214 Patienten mit entsprechenden klinischen Symptomen einer Sinusitis maxillaris und pathologischem Röntgenbefund (Verschattung, Spiegel oder Schleimhautschwellung von mehr als 5 mm im Sinus maxillaris) eingeschlossen. Die Behandlung erfolgte mit Xylometazolin-Inhalationen (Otriven u.v.a.) sowie mit 3 x 750 mg Amoxicillin/d oral 7 Tage lang oder Plazebo. Kontrollbefunde anhand eines Symptom-Scores wurden nach 7 und 14 Tagen sowie nach 12 Monaten erhoben. Kam es zu einer deutlichen klinischen Verschlechterung während der ersten zwei Wochen, wurde nach einer Kieferhöhlenpunktion eine Intensivierung der Therapie eingeleitet. Nach 14 Tagen hatten 83% der 105 antibiotisch behandelten Patienten und 77% der 101 mit Plazebo Behandelten eine deutliche Besserung der Symptome. 65% bzw. 52% der Patienten waren völlig beschwerdefrei (p = 0,06) und dies unabhängig davon, ob die Symptome vor Studienbeginn kürzer oder schon länger als zwei Wochen bestanden hatten. Das Röntgenbild hatte sich bei 74% der antibiotisch und bei 60% der mit Plazebo behandelten Patienten normalisiert. Während der Nachbeobachtung hatten 21% bzw. 17% ein Rezidiv erlitten (nicht signifikant). Vier Patienten erhielten nach Kieferhöhlenpunktion eine offene antibiotische Therapie; von diesen zählten drei zur Verum-Gruppe. Sekret konnte bei der Punktion nicht aspiriert werden.

Fazit: Die Studie bestätigt erneut, daß die Sinusitis maxillaris in der Regel einen guten Spontanverauf nimmt. Die Intensität der Symptome und das Ausmaß der radiologischen Verschattung hatten in dieser Studie keinen Einfluß auf den Verlauf. Eine Punktion des Sinus maxillaris zur Sicherung der Diagnose ist in der Regel nicht erforderlich. Nach zwei- bis dreiwöchiger Behandlung ohne Abklingen der Symptome ist eine antibiotische Therapie gerechtfertigt. Bei Persistenz der Symptome ist differentialdiagnostisch auch an eine allergische Reaktion zu denken.

Bei unkompliziertem Infekt der oberen Luftwege („grippaler Infekt“) hat bisher keine Studie Vorteile einer antibiotischen Therapie zeigen können (4). Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und Streptococcus pneumoniae werden bei solchen Infekten häufig aus dem Nasopharynx isoliert. Zur Einschätzung der Pathogenität dieser Keime wurde in einer randomisierten Studie (2) bei 288 Patienten mit harmlosem grippalem Infekt ohne klinischen Hinweis auf eine akute oder chronische Sinusitis eine 5 Tage lange antibiotische Therapie durchgeführt mit 3 x 375 mg Amoxicillin/Clavulansäure (z.B. Augmentan) und mit Plazebo verglichen. Eine bakteriologische Untersuchung des nasopharyngealen Sekretes erfolgte zu Beginn der Behandlung bei allen Studienteilnehmern der Verum- und Plazebo-Gruppe sowie bei einem gesunden Kontrollkollektiv. Von den 288 Kranken konnte bei 24% keinerlei bakterielles Wachstum nachgewiesen werden. Bei 56% fanden sich keine relevanten pathogenen Keime, während bei 20% der Patienten die oben genannten Keime isoliert wurden. Nur bei 2 der 80 gesunden Kontrolpersonen (3%) wurden diese Keime ebenfalls gefunden. Alle Stämme zeigten sich gut sensibel für die getestete Antibiotikakombination. Von 58 Kranken mit gesichertem Nachweis pathogener Keime wurden 30 Patienten mit Amoxicillin/Clavulansäure und 28 mit Plazebo behandelt. Von den 230 Patienten ohne Keimnachweis wurden 116 mit und 114 ohne Antibiotikum behandelt. Nach 5 Tagen Behandlung wurde ein Symptom-Score ausgewertet. Die betreuenden Studienärzte hatten keinen Einblick in die begleitenden klinischen und bakteriologischen Untersuchungsergebnisse sowie in die Medikation. Bei progredienter Verschlechterung der Symptome (purulente Bronchitis oder Verdacht auf Sinusitis) konnte zusätzlich eine offene antibiotische Behandlung erfolgen. Nach 5 Tagen beschrieben die Patienten mit gesichertem Keimnachweis unter der Antibiotikatherapie eine deutliche, signifikante Besserung der Symptome im Vergleich zur Plazebo-Gruppe mit positivem Keimnachweis. In der Verum-Gruppe der Kranken ohne Keimnachweis zeigte sich kein Unterschied in der Befindlichkeit im Vergleich zur Plazebo-Gruppe ohne Keimnachweis. Eine offene antibiotische Therapie wurde bei 24% der kulturpositiven und nur bei 6% der kulturnegativen Patienten durchgeführt. Die Wahrscheinlichkeit für eine offene Antibiotikatherapie war daher sechsmal höher unter denen, die bei positivem Keimnachweis in die Plazebo-Gruppe randomisiert worden waren als bei denen, die mit positivem Keimnachweis der Antibiotika-Gruppe zugeordnet worden waren. Unter denen mit negativem Keimnachweis waren in beiden Gruppen etwa gleich viele offen antibiotisch behandelt worden. Mit Plazebo behandelte Patienten mit positivem Keimnachweis zeigten nur in 4% eine Symptombesserung nach 5 Tagen.

Fazit: Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß beim unkomplizierten Infekt der oberen Luftwege eine antibiotische Therapie nur beim Nachweis von Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis oder Streptococcus pneumoniae sinnvoll ist. Mit diesen Keimen ist aber nur bei etwa 20% dieser Patienten zu rechnen. Der Nachweis ist derzeit nur über die bakteriologische Kultur zu führen. Möglicherweise wird bald ein Schnelltest zur Verfügung stehen, der die Patienten mit pathogenen Keimen erfaßt, die am ehesten von einer Antibiotikatherapie profitieren. Bei 20% der behandelten Patienten wurden unerwünschte Wirkungen des Antibiotikums beobachtet. Beide Studien (1, 2) bestätigen erneut, daß ein „banaler grippaler Infekt“ und eine unkomplizierte akute Sinusitis zunächst keiner antibiotischen Therapie bedürfen.

Literatur

1. van Buchem, F.L., et al.: Lancet 1997, 349, 683.
2. Kaiser, L., et al.: Lancet 1996, 347, 1507.
3. Mann, W., und Jonas, I.: HNO 1981, 29, 92.
4. Soyka, L.F., et al.: Pediatrics 1975, 55, 552.