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Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer generell nach Myokardinfarkt oder Angina pectoris? Die LIPID-Studie

Mit der australischen LIPID-Studie wurde die bislang größte Untersuchung mit Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmern (CSE-Hemmern) zur Sekundärprophylaxe bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung veröffentlicht (1). Die beiden wichtigsten bislang publizierten Untersuchungen zur Sekundärprophylaxe sind die 4S- (2, 3) und die CARE-Studie (4, 5). Beide konnten eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit und der Myokardinfarktrate durch die CSE-Hemmer (Statine) Simvastatin bzw. Pravastatin nachweisen.

Die vom Hersteller Bristol-Myers Squibb inituerte und finanzierte LIPID-Studie sollte bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung und einer breiten Spanne von Cholesterinwerten, also Normal- und pathologischen Werten, den Langzeiteffekt einer Pravastatin-Therapie in fixer Dosierung auf klinische Ereignisse prüfen. Die Unterschiede zu den beiden Voräuferstudien sind: in der 4S wurden nur Patienten mit erhöhten Cholesterinwerten behandelt (213 bis 309 mg/dl Gesamt-Cholesterin), und die Simvastatin-Dosis wurde nach einem Ziel-Cholesterinwert austitriert (< 200 mg/dI). Komplizierter ist der Unterschied zur CARE-Studie: in CARE wurden Postinfarktpatienten mit Cholesterinwerten unter 240 mg/dl, aber kritischen LDL-Werten (115 bis 175 mg/dl) mit einer fixen Dosis Pravastatin (40 mg/d) behandelt, ohne daß ein Ziel-Cholesterinwert angestrebt wurde. In die LIPID-Studie wurden insgesamt 9014 Patienten aus mehr als 80 Zentren eingeschlossen. Die Studienteilnehmer mußten innerhalb der vorangegangenen 3 bis 36 Monate einen Myokardinfarkt erlitten haben oder wegen instabiler Angina pectoris behandelt worden sein. Die Blutfette wurden 4 Wochen vor Studieneintritt gemessen. Die Konzentration des Gesamtcholesterins sollte zwischen 155 und 271 mg/dl, die der Nüchtern-Triglyzeride unter 445 mg/dl liegen. Ausschlußkriterien waren unter anderem eine bereits laufende lipidsenkende Therapie, eine akute Erkrankung innerhalb der letzten 3 Monate sowie Herz-, Nieren- oder Leberinsuffizienz. In einer 8wöchigen Plazebo-Phase wurden die Patienten durch Diätberatung unterwiesen, wie der Fettanteil in der Nahrung auf 30% der Gesamtkalorienzahl reduziert werden kann. Diese Beratungen wurden während der gesamten Studiendauer weitergeführt. Danach erfolgte die Randomisierung in einen Plazebo-Arm (n = 4502) und einen Verum-Arm mit 40 mg Pravastatin/d (n = 4512). Die Behandlung erfolgte doppeltblind. Die demographischen Daten beider Gruppen waren gleich: medianes Alter 62 Jahre; 83% Männer; 64% der Patienten hatten einen Myokardinfarkt und 36% eine instabile Angina pectoris; 10% waren aktive und 64% ehemalige Raucher; 42% hatten Bluthochdruck, 9% Diabetes mellitus und 18% waren übergewichtig (BMI > 30 kg/m2). Die Begleitmedikation wich nicht vom üblichen Standard ab und bestand im wesentlichen aus Azetylsalizylsäure, Betarezeptoren-Blockern, Nitraten und Kalziumantagonisten. Die Ausgangsfettwerte lagen im Median wie folgt: Gesamt-Cholesterin 218 mg/dI, LDL-Cholesterin 150 mg/dl, HDL-Cholesterin 36 mg/dl, Triglyzeride 140 mg/dl.

Ergebnisse: Die Studie wurde 1990 begonnen und 1997 vom Safety Committee wegen einer höheren Letatät in der Plazebo-Gruppe abgebrochen. Die mittlere Studiendauer betrug zu diesem Zeitpunkt 6,1 Jahre. Nach einem, nach 3 Jahren und am Studienende hatten in der Verum-Gruppe 6%, 11% bzw. 19% der Patienten die Medikation abgesetzt. Demgegenüber hatten 3%, 9% und 24% der mit Plazebo Behandelten – durch den Hausarzt verordnet – offen eine lipidsenkende Therapie begonnen, was die Studienergebnisse beeinflußt haben kann. Das Gesamtcholesterin im Plasma sank unter Pravastatin um 18% (absolut 39 mg/dl) und das LDL um 25% stärker als unter Plazebo (p = 0,001). Die Ergebnisse in den klinischen Endpunkten sind in Tab. 1 wiedergegeben.

Die Autoren errechnen, daß – unter Berücksichtigung eines möglicherweise mehrfachen Auftretens von Ereignissen beim selben Patienten – bei 1000 Behandelten in 6 Jahren 30 Todesfälle, 28 nicht tödliche Myokardinfarkte, 9 nicht tödliche Schlaganfälle und 23 koronare Bypass-Operationen verhindert wurden. Dieser Vorteil wurde nicht durch vermehrte unerwünschte Wirkungen in der Pravastatin-Gruppe gemindert (3,2% vs. 2,7%). Krebserkrankungen – insbesondere Mammakarzinome – waren unter der CSE-Hemmer-Therapie nicht häufiger (128 vs. 141 Patienten).

Interessant ist eine Analyse von Untergruppen, wonach der klinische Effekt in allen Gruppen sichtbar wird mit bestimmten, allerdings nicht signifikanten Vorteilen für manche Patienten (Tab. 2).

Die Autoren folgern, daß alle Patienten mit manifester koronarer Herzerkrankung unabhängig von ihrem Cholesterinwert im Plasma einen signifikanten Nutzen durch die CSE-Hemmer-Therapie haben. Der Nutzen auch bei instabiler Angina pectoris und die Verhinderung von Schlaganfällen ist bislang noch nicht dargestellt worden. Sie sehen die Zeit gekommen, daß bei allen Patienten mit Symptomen der koronaren Herzkrankheit eine CSE-Hemmer-Therapie erwogen werden sollte. Die niedrige Verordnungsrate in den USA (30% der Patienten mit Myokardinfarkt) und Europa sei unakzeptabel, und die internationalen Therapierichtlinien müßten entsprechend geändert werden.

Fazit: Die LIPID-Studie konnte einen Nutzen von Pravastatin (40 mg/d) bei klinisch manifester koronarer Herzkrankheit nachweisen und dies unabhängig vom Ausgangs-Cholesterin-Wert. Es müßten 1000 Patienten behandelt werden, um pro Jahr etwa 5 kardiale Todesfälle, 5 Myokardinfarkte, einen Schlaganfall und 5 koronare Bypass-Operationen zu verhindern. Die Kosten wären erheblich und betragen nach der obigen Rechnung bei 1000 Patienten 2,4 Mio. DM/Jahr und bei 1 Mio. Patienten mehr als 2 Mrd. DM/Jahr. Doch wer entscheidet, ob der zu erzielende Nutzen diesen finanziellen Aufwand rechtfertigt? Zur Zeit gibt es nur eine Möglichkeit, die Gesamtkosten einer solchen Prophylaxe einzudämmen: sie muß auf Patienten mit dem höchsten Risiko beschränkt werden, denn sie haben den größten Nutzen davon. Anregungen, wie im Einzelfall vorgegangen werden kann, geben z.B. die Sheffield-Tabellen (s. AMB 1996, 30, 96). Müssen die Statine so teuer sein, und können wir uns nicht durch Veränderung des Lebensstils helfen? Billiger und sicher ebenso wirksam ist Nichtrauchen, Umstellen der Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung.

Literatur

1. The Long-term Intervention with Pravastatin in lschemic Disease study group (LIPID): N. Engl. J. Med. 1998, 339, 1349.
2. The Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S): Lancet 1994, 344, 1383.
3. AMB 1995, 29, 4.
4. Sacks, F.M., et al. (CARE = Cholesterol And Recurrent Events): N. EngI. J. Med. 1996, 335, 1001.
5. AMB 1996, 30, 93.

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