Frage von Dr. D.L aus Eckernförde: >> In meiner Behandlung befindet sich eine 58jährige Patientin, bei der seit 1980 eine hereditäre motorische und sensible Neuropathie Typ 1 (Charcot-Marie-Tooth) bekannt ist. Es bestehen inzwischen aufgrund der Neuropathie ausgeprägte Muskelatrophien. Nun hat mich die Patientin darauf angesprochen, sie habe gehört, daß das Medikament „Clenbuterol“, welches als Dopingmittel eingesetzt worden sei, auch auf kranke Muskeln so wirken würde wie Training bei Hochleistungssportlern. Leider konnte ich sie nicht weiter beraten, da mir nicht bekannt ist, inwiefern Clenbuterol bei Muskelatrophien, welche durch Polyneuropathien begründet sind, positiv wirkt. Selbstverständlich bekommt die Patientin eine krankengymnastische Übungsbehandlung schon längerfristig. Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, inwiefern Clenbuterol in diesem speziellen Fall therapeutisch eingesetzt werden kann. << Antwort: >> Clenbuterol gilt als ein selektiver Beta2-Agonist, der unerlaubterweise in der Tierzucht und als Dopingmittel verwendet wird. Der exakte Mechanismus, wie Beta2-Adrenozeptor-Agonisten auf die RNA- und Proteinsynthese wirken, ist nicht eindeutig bekannt. Mit ernsten Nebenwirkungen (Tachykardie, gesteigerte Lipolyse) muß gerechnet werden. Gesicherte Ergebnisse über die Wirkung der Substanz bei degenerativen Erkrankungen der Muskulatur oder des peripheren Nervensystems sind uns nicht bekannt. Vor vielen Jahren wurden auch Anabolika versuchsweise bei der Duchenneschen Muskeldystrophie und der amyotrophischen Lateralsklerose eingesetzt, jedoch ohne überzeugende Erfolge.
Der Einsatz von Clenbuterol ist nach unserer Ansicht nicht gerechtfertigt. Bei einer nicht kausal behandelbaren, aber rasch zu schwerer Behinderung führenden Erkrankung wird man einen Behandlungsversuch mit einem unkonventionellen Mittel im Einzelfall sicher einmal erwägen können; dies trifft für die HSMN 1 (Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung) allerdings nicht zu. Hierbei handelt es sich um eine sehr langsam verlaufende Erkrankung, die bevorzugt die distale Extremitätenmuskulatur betrifft und somit „nur“ zu einer erheblichen Gehbehinderung, nicht aber zu einer wesentlichen Lebensverkürzung führt. Berücksichtigt man weiterhin, daß die Muskulatur nur indirekt, d.h. über den Denervierungsprozeß, betroffen ist, so erscheint der Einsatz noch fragwürdiger. <<