Die topische Applikation von hochpotenten Kortikosteroiden, die nach oraler Gabe wegen des deutlichen First-pass-Effekts in der Leber schnell inaktiviert werden, ist die wichtigste Therapie beim chronischen Asthma. Ein Teil der mittels Inhalator applizierten Kortikosteroide wird im Mund, in der Trachea und in der Lunge deponiert und gerät in den Blutkreislauf. Durch Vergleich der Plasmakonzentrationen eines topischen Kortikosteroids nach i.v. Injektion mit denjenigen nach topischer Applikation kann man die systemische Bioverfügbarkeit messen. Viele Studien zur Bioverfügbarkeit wurden an Gesunden durchgeführt. M.H. Brutsche et al. aus Manchester (Lancet 2000, 356, 556) versuchten die Frage zu klären, ob sich die Bioverfügbarkeit von inhaliertem Fluticasonpropionat (einem hochwirksamen und in vielen Aerosolen enthaltenen Kortikosteroid) bei Patienten mit Asthma von der bei Gesunden unterscheidet. Elf Patienten mit Asthma bronchiale (FEV1 < 75%), die unter inhalierten Kortikosteroiden in einem stabilen Zustand waren, und 13 nach Alter und Geschlecht ähnliche, gesunde Kontrollpersonen erhielten im Abstand von einer Woche 1000 µg Fluticasonpropionat entweder je einmal i.v. oder mittels eines Spacers inhalativ. Während der nächsten 12 Stunden wurden häufig die Konzentrationen von Fluticason und von endogenem Kortisol im Plasma bestimmt. Außerdem wurde nach der Applikation 24h-Harn zur Bestimmung von freiem Kortisol gesammelt. Das Ergebnis war überraschend. Die Bioverfügbarkeit von inhaliertem Fluticasonpropionat (gemessen als Fläche unter der Konzentrationskurve im Plasma während 12 Stunden nach Applikation des Steroids) war bei den Asthma-Patienten um etwa 62% geringer als bei den Gesunden. Die maximalen Plasmakonzentrationen (117 vs. 383 pg/ml) waren um 68% niedriger. Verglichen mit den Plasmakonzentrationen des Steroids nach i.v. Injektion war die systemische Bioverfügbarkeit bei Asthma-Patienten 10% und bei Gesunden 21%. Das Verteilungsvolumen, die Halbwertszeit im Plasma und die Clearance des Medikaments waren hingegen in beiden Gruppen gleich, was dagegen spricht, daß die vorausgegangene Behandlung mit Fluticason bei den Asthma-Patienten zu einer Veränderung des Arzneistoffwechsels, z.B. durch Induktion des hepatischen Metabolismus, geführt hat. 4-12 Stunden nach Applikation des Medikaments war die Suppression des endogenen Kortisols bei den Gesunden signifikant stärker als bei den Patienten. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß systemische Nebenwirkungen inhalierter Kortikosteroide bei Asthma-Patienten vermutlich weniger ausgeprägt sind als aufgrund pharmakologischer Studien bei Gesunden zu erwarten wäre. In Zukunft sollten Studien zur Bioverfügbarkeit deshalb bei Asthma-Patienten und nicht bei Gesunden durchgeführt werden. Eine übermäßige Ängstlichkeit bei der Dosierung topischer Steroide ist nicht am Platz, da die metabolischen Schäden durch immer wieder notwendig werdende orale Kortikosteroid-Gaben im Falle einer Verschlechterung des Asthmas vermutlich gravierender sind als die einer relativ hochdosierten inhalativen Therapie. Fazit: Die Bioverfügbarkeit von inhaliertem Fluticasonpropionat ist bei Asthma-Patienten deutlich geringer als bei Gesunden. Studien zur Bioverfügbarkeit im Hinblick auf die klinische Anwendung und Dosierung sollten deshalb bei Patienten und nicht bei Gesunden durchgeführt werden.