Hydroxycarbamid (Hydroxyurea = Litalir, Syrea) ist ein Antimetabolit, der durch Inaktivierung der Ribonukleosiddiphosphat-Reduktase die DNS-Synthese zellzyklusspezifisch in der S-Phase hemmt. Die Substanz wird vorwiegend zur Behandlung chronischer myeloproliferativer Syndrome, aber auch zur raschen Zytoreduktion bei akuten Leukämien, bei schmerzhaften Krisen im Rahmen der Sichelzellenanämie, in der Behandlung der Psoriasis und als „Radiosensitizer“ bei soliden Tumoren eingesetzt (vgl.AMB 1997, 31, 7 und 69).
Langfristige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) von Hydroxycarbamid auf die Haut wurden erstmals 1975 mitgeteilt (1). Sie umfassen neben Entzündungen und verstärkter Pigmentierung in zuvor bestrahlten Hautarealen, auch eine partielle Alopezie, Hyperpigmentierung der Haut und Nägel, makulopapulöse Exantheme, Trockenheit und Atrophie der Haut (2) sowie Ulzera im Bereich der Beine, die vorwiegend oberhalb der Malleoli auftreten und sehr schmerzhaft sein können (3). In den letzten Jahren wurde häufiger über eine Pseudo-Dermatomyositis oder „Hydroxyurea-Dermatopathie“ (4-6) nach langjähriger Therapie mit Hydroxycarbamid berichtet, die sich meistens mit Teleangiektasien, Atrophie, Schuppung, Erythem und Pigmentverschiebungen im Bereich der Handrücken und dorsalen Finger manifestiert. Hauttumoren (häufig multiple Plattenepitelkarzinome und Basaliome; 4-11) sind ebenfalls nach mehrjähriger Therapie mit Hydroxycarbamid, seltener auch nach relativer kurzer Gabe (2 Jahre; 10) oder Monate bis mehrere Jahre nach Absetzen von Hydroxycarbamid (8, 11) mitgeteilt worden. Die Plattenepithelkarzinome traten bevorzugt, aber nicht ausschließlich (6), bei hellhäutigen Patienten in lichtexponierten Hautarealen auf und waren häufig mit aktinischen Keratosen und anderen durch Hydroxycarbamid (s.o.) ausgelösten Hautveränderungen assoziiert. Obwohl diese Berichte eine Assoziation zwischen Hydroxycarbamid und dem Auftreten maligner Hauttumoren suggerieren, kann der Kausalzusammenhang nicht endgültig beurteilt werden (10, 11), da von dieser UAW meistens ältere Patienten betroffen waren, bei denen Hauttumoren im Bereich chronisch lichtexponierter Areale generell häufiger auftreten. Angesichts der häufigen Gabe von Hydroxycarbamid zur Behandlung chronischer myeloproliferativer Syndrome und der für diese Substanz experimentell nachgewiesenen mutagenen bzw. karzinogenen Wirkungen (vgl. AMB 1998, 32, 39a) in vitro (u.a. chromosomale Veränderungen, Hemmung von DNS-Reparaturvorgängen in UV-bestrahlten epidermalen Zellen) sollte bei Patienten während, aber auch nach Absetzen der Therapie mit Hydroxycarbamid, die Haut regelmäßig untersucht und bei Auftreten von Hauttumoren die Gabe von Hydroxycarbamid sofort beendet werden (10, 11). Dieser Hinweis sollte auch in die Fachinformation für Hydroxycarbamid (vgl. Litalir) aufgenommen werden, in der bisher unter Nebenwirkungen an der Haut nur erwähnt wird, daß „in Einzelfällen Hautveränderungen im Sinne eines Hautkarzinoms berichtet wurden“.
Literatur
1. Kennedy, B., et al.: Arch. Dermatol. 1975, 111, 183.
2. Ludwig, W.-D.: Zytostatika. In: Müller-Oerlinghausen, B., Lasek, R., Düppenbecker, H., Munter, K.-H. (Hrsg.): Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Urban & Fischer, München, Jena 1999. S. 504.
3. Best, P.J., et al.: Ann. Intern. Med. 1998, 128, 29.
4. Bahadoran, P., et al.: Br. J. Dermatol. 1996, 134, 1161.
5. Daoud, M.S., et al.: J. Am. Acad. Dermatol. 1997, 36, 178.
6. De Simone, C., et al.: Eur. J. Dermatol. 1998, 8, 114.
7. Disdier, P., et al.: Dermatologica 1991, 183, 47.
8. Papi, M., et al.: J. Am. Acad. Dermatol. 1993, 28, 485.
9. Angeli-Besson, C., et al.: Dermatology 1995, 191, 321.
10. Callot-Merlot, C., et al.: Arch. Dermatol. 1996, 132, 1395
11. Best, P.J.M., und Petitt, R.M.: Mayo Clin. Proc. 1998, 73, 961.