In den kommenden Jahrzehnten werden Onkologen zunehmend mit älteren Patienten mit kolorektalen Karzinomen und anderen Tumoren konfrontiert werden, deren Inzidenz mit zunehmendem Alter steigt. Bereits heute treten etwa 65-75% der kolorektalen Karzinome und mindestens 75% der Todesfälle infolge kolorektaler Karzinome bei Patienten auf, die älter als 65 Jahre sind (1). Leider existieren nur wenige Studien, die Aussagen zum Stellenwert spezifischer Therapiestrategien bei älteren Patienten erlauben, da ältere Patienten in klinischen Studien zur Tumortherapie häufig nicht ausreichend repräsentiert sind (2). Die Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen: rigide Einschlußkriterien (z.B. normale Knochenmark-, Leber- und Nierenfunktion), Begleiterkrankungen, nicht auf ältere Patienten ausgerichtetes Design der Studie, unberechtigte Zweifel hinsichtlich des längerfristigen Nutzens der Therapie, Fehlen finanzieller und logistischer Unterstützung (1). Auf aktuelle Empfehlungen zur adjuvanten Therapie für Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III („Mayo-Clinic-Schema“, d.h. niedrig dosierte Folinsäure plus 5-Fluorouracil), die leider in Deutschland noch nicht ausreichend beachtet werden, haben wir kürzlich unsere Leser hingewiesen (AMB 2000, 34, 93 und 94). Vor diesem Hintergrund sind Ergebnisse einer gepoolten Analyse von 7 randomisierten Phase-III-Studien mit insgesamt 3351 Patienten zur Wirksamkeit einer postoperativen adjuvanten Chemotherapie nach vollständiger Resektion des Primärtumors im Vergleich zum alleinigen operativen Vorgehen bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II (n = 1446; 43%) oder III (n = 1905; 57%) von Interesse (3). In 5 dieser Studien erhielten die Patienten als adjuvante Therapie 5-Fluorouracil (5-FU) plus Folinsäure und in 2 Studien 5-FU plus Levamisol. Die Auswertungen erfolgten nach dem Intention-to-treat-Prinzip in 4 unterschiedlichen Alterskategorien (£ 50, 51-60, 61-70 und > 70 Jahre). 38% der Patienten waren 61-70 Jahre alt und 15% älter als 70 Jahre. In allen Studien fand sich ein günstiger Effekt der adjuvanten Chemothapie auf das Überleben und die Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs. Die gepoolte Analyse aller Studien ergab eine 5-Jahres-Überlebensrate der chemotherapeutisch behandelten Patienten von 71% versus 64% der nur operierten Patienten (p < 0,001), und bei 69% der behandelten Patienten (versus 58%) war nach 5 Jahren kein Rezidiv des Kolonkarzinoms aufgetreten (p < 0,001). Eine signifikante Interaktion zwischen Alter und günstigem Effekt der adjuvanten Chemotherapie fand sich nicht. Alle Alterskategorien profitierten hinsichtlich Gesamtüberleben und Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs von der postoperativen Chemotherapie. Schwere Leukopenien traten bei älteren Patienten, die adjuvant mit 5-FU plus Folinsäure und insbesondere mit 5-FU plus Levamisol behandelt worden waren, signifikant häufiger als bei jüngeren auf. Andere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die nach 5-FU-haltigen Chemotherapien beobachtet werden (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Diarrhö), waren bei älteren Patienten nicht häufiger.
Fazit: Ältere Patienten in gutem Allgemeinzustand mit reseziertem Kolonkarzinom profitieren von einer postoperativen 5-FU-haltigen Chemotherapie ähnlich wie jüngere Patienten. UAW treten bei älteren Patienten mit Ausnahme der Leukopenie nicht häufiger auf als bei jüngeren Patienten. Eine sechsmonatige Gabe des „Mayo-Clinic-Schemas“ gilt heute für ältere Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III als Standardtherapie und sollte bei Patienten im Stadium II möglichst im Rahmen kontrollierter klinischer Studien erfolgen.
Literatur
1. Muss, H.B.: N. Engl. J. Med. 2001, 345, 1127.
2. Hutchins, L.F., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 341, 2061.
3. Sargent, D.J., et al.: N. Engl. J. Med.2001, 345, 1091.