Wir haben bereits früher über eine in Würzburg durchgeführte Studie über die Substitution von Frauen mit primärer oder sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz mit Dehydroepiandrosteron (DHEA) berichtet (AMB 1999, 33, 87). DHEA und sein Sulfat (DHEA-S) ist das in größter Gewichtsmenge von den Nebennieren sezernierte Hormon (auch mehr als Kortisol). Es wird in peripheren Zellen in Östrogene und in Androgene umgewandelt. Unabhängig davon scheint es einen direkten Effekt auf das limbische System zu haben, der u.a. die in einer doppeltblinden, plazebokontrollierten Studie belegte antidepressive Wirkung erklären könnte. In der früher referierten Studie hatte eine viermonatige Substitution mit 50 mg/d DHEA bei Frauen mit Nebennieren-Insuffizienz, bei denen die DHEA-Spiegel prätherapeutisch extrem niedrig waren, einen günstigen Effekt auf den Kräftezustand, die Stimmung und auf die Psychosexualität. Da diese Patientinnen sehr niedrige Testosteron-Spiegel hatten, konnte auch ein signifikanter Anstieg des Serum-Testosterons festgestellt werden. In einer neueren Untersuchung von P. J. Hunt et al. aus Cambridge und Oxford (J. Clin. Endocrinol. Metab. 2000, 85, 4650) wurde der Effekt einer dreimonatigen Substitutionstherapie mit 50 mg/d DHEA oral, doppeltblind und Crossover mit Plazebo bei Frauen und Männern mit M. Addison (primäre Nebennierenrinden-Insuffizienz) untersucht. Bei beiden Geschlechtern führte die Substitutionstherapie zu einer Normalisierung der sehr niedrigen Serum-Spiegel von DHEA-S und von dem aus DHEA-S gebildeten Metaboliten Delta-4-Androstendion. Bei den Frauen (mit niedrigen endogenen Testosteron-Werten) kam es außerdem unter dieser Therapie zu einer Verdopplung der Serum-Testosteron-Konzentration, während bei Männern, die wegen normal funktionierender Hoden wesentlich höhere basale Testosteron-Spiegel hatten, kein Testosteron-Anstieg zu finden war. Anhand von Befindlichkeits-Skalen, die das Allgemeinbefinden, Angstsymptome, Depression, Selbstwertgefühl und Leistungsfähigkeit im täglichen Leben testeten, kam es bei beiden Geschlechtern zu einer signifikanten Steigerung des Selbstwertgefühls, der Stimmung und zur Verminderung von Müdigkeit, besonders gegen Abend. Tendenziell wurde auch das Allgemeinbefinden verbessert. In Hinblick auf die Psychosexualität, Körperzusammensetzung, Blutfette und Knochendichte ergaben sich keine Änderungen. Die positiven Effekte auch bei Männern mit hohen endogenen Testosteron-Spiegeln sprechen dafür, daß DHEA einen direkten Effekt auf das zentrale Nervensystem haben könnte, wie schon in der früheren Studie vermutet. Bei Frauen kam es, wie in der Würzburger Studie, nicht selten zu androgenen Effekten an der Haut (vermehrte Talgbildung und gelegentlich leichte Akne). Aus diesem Grund sollte bei Frauen mit einer kleineren Substitutionsdosis begonnen werden. Insgesamt sprechen die Befunde dafür, daß eine Substitution von DHEA nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern mit Nebennierenrinden-Insuffizienz, zusätzlich zu Kortisol und 9a-Fluor-Kortisol (als Aldosteron-Ersatz bei primärer Nebennierenrinden-Insuffizienz) günstige Effekte hat. Gravierende Nebenwirkungen wurden in den bisherigen Studien nicht beobachtet. Auf deren Möglichkeit sollte jedoch bei Langzeitanwendung geachtet werden.
Fazit: Auch bei Männern mit primärer Nebennierenrinden-Insuffizienz (M. Addison) hat eine Substitution von DHEA, zusätzlich zu Kortisol und zu 9a-Fluor-Kortisol, günstige Wirkungen und sollte bei eingeschränktem Befinden der Patienten versucht werden.