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Rekombinante Uratoxidase zur Prophylaxe und Behandlung einer akuten Hyperurikämie bei Patienten mit Leukämien oder Lymphomen

Patienten mit rasch proliferierenden chemosensitiven Tumoren und/oder großer Tumorzellmasse (z.B. akute Leukämien, maligne Lymphome, Keimzell-Tumoren, kleinzelliges Bronchialkarzinom) sind besonders gefährdet für eine Hyperurikämie mit Nephropathie. Zur Standardprophylaxe oder -behandlung der Hyperurikämie gehören ausreichende Hydratation, Alkalisierung des Urins und die Gabe von Allopurinol, das die Xanthinoxidase hemmt und dadurch die Bildung von Harnsäure blockiert. Bereits gebildete Harnsäure wird jedoch durch Allopurinol nicht gesenkt und kann, z.B. bei hoher Tumorzellmasse oder im Rahmen der Tumorlyse, zur Niereninsuffizienz führen (s.a. AMB 1994, 28, 13). Inzwischen steht in Deutschland eine neue Substanz, Rasburicase (Fasturtec), zur Prophylaxe und Behandlung einer akuten Hyperurikämie bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien und hoher Tumorlast bzw. dem Risiko einer raschen Tumorlyse zur Verfügung. Rasburicase ist eine rekombinante Uratoxidase, die die Oxidation von Harnsäure in Allantoin – eine wasserlösliche Substanz, die leicht über die Nieren ausgeschieden wird – katalysiert. Erste von Sanofi-Synthelabo unterstützte Studien mit Rasburicase bei Kindern und jungen Erwachsenen mit akuten Leukämien oder malignen Lymphomen sprechen dafür, daß diese Substanz eine sichere und wirksame Alternative zu Allopurinol ist (1, 2).

In einer multizentrischen randomisierten Studie in den USA wurden 52 Kinder mit akuten Leukämien oder Lymphomen und einem hohen Risiko für Tumorlyse während der initialen Polychemotherapie 5-7 Tage lang entweder mit Allopurinol per os (300 mg/m2/d) oder mit Rasburicase (0,20 mg/kg/d als Kurzinfusion über 30 Min.) behandelt (1). Der primäre Endpunkt war die „Area under the curve“ für die Harnsäurekonzentration im Plasma während der ersten 96 Stunden (AUC0-96). Sie betrug für die mit Rasburicase behandelten Kinder 128 ± 70 mg/dl/h und für die mit Allopurinol behandelten Kinder 329 ± 129 mg/dl/h (p < 0,0001). Bereits 4 Stunden nach Gabe der ersten Dosis von Rasburicase kam es im Vergleich zu Allopurinol zu einer starken Abnahme der Harnsäurekonzentration im Plasma. Sichere Aussagen zur Beeinflussung der Hyperurikämie-bedingten Nephropathie (z.B. Inzidenz des akuten Nierenversagens, Notwendigkeit einer Dialysebehandlung) durch Rasburicase waren auf Grund der kleinen Patientenzahl nicht möglich. Unter Rasburicase, nicht jedoch nach Allopurinol, kam es 4 Tage nach Therapiebeginn zu einer Normalisierung der Kreatininkonzentration im Plasma. Ernste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), z.B. anaphylaktische Reaktionen, traten unter Rasburicase nicht auf; Antikörper gegen Rasburicase wurden in dieser Studie nicht nachgewiesen. Diese günstigen Ergebnisse für Rasburicase werden durch eine weitere Studie aus den USA bestätigt, in der 131 Kinder oder junge Erwachsene mit akuten Leukämien oder malignen Lymphomen 5-7 Tage lang mit Rasburicase (0,15 oder 0,20 mg/kg als i.v. Kurzinfusion über 30 Min.) behandelt wurden (2). Alle Patienten hatten entweder sehr hohe Harnsäurekonzentrationen oder eine sehr hohe Tumorzellmasse. Untersucht wurden die Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik von Rasburicase. Die Harnsäurekonzentrationen im Plasma konnten bei allen Patienten durch beide Dosierungen der rekombinanten Uratoxidase rasch und deutlich gesenkt werden. Sie blieben während der Chemotherapie niedrig. Die Behandlung mit Rasburicase wurde gut vertragen. Bei einem Patienten trat Übelkeit sowie Erbrechen auf. Ein Mädchen reagierte allergisch mit Bronchospasmus und Hypoxämie, wobei der Kausalzusammenhang mit der Gabe von Rasburicase nicht sicher ist. Bei 17 von 121 auswertbaren Patienten wurden Antikörper gegen das Enzym nachgewiesen. Die Bedeutung dieser Antikörper für die Abschwächung der klinischen Wirksamkeit oder Auslösung von Überempfindlichkeitsreaktionen bei erneuter Gabe des Enzyms ist unklar. Nur 6 Patienten erhielten in dieser Studie 16 bis 80 Tage nach der initialen Therapie eine erneute Behandlung mit Rasburicase. Hinweise für eine verminderte Wirksamkeit der Uratoxidase oder UAW fanden sich bei diesen Patienten nicht. Die Plasma-Halbwertszeit der Rasburicase betrug 16,0 ± 6,3 h (Dosierung: 0,15 mg/kg) bzw. 21,1 ± 12,0 h (0,20 mg/kg). Fazit: Rasburicase ist ein sehr wirksames neues Urikolytikum zur Prophylaxe und Behandlung der Hyperurikämie bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien und hoher Tumorlast bzw. hohem Risiko einer raschen Tumorlyse. Es war in einer ersten kleinen randomisierten Phase-III-Studie Allopurinol hinsichtlich der Reduktion der Harnsäurekonzentration signifikant überlegen. Die hohen Therapiekosten für Rasburicase (Tageskosten für einen 70 kg schweren Patienten ca. 919 DM bzw. 1182 DM für Dosierung 0,15 bzw. 0,20 mg/kg; Apotheker-Einkaufspreis) erfordern jedoch eine sehr genaue Beachtung der Anwendungsgebiete. Der Einfluß von Rasburicase auf die Nierenfunktion, die klinische Bedeutung von Antikörpern gegen Rasburicase, die optimale Dosierung bzw. die Therapiedauer und die UAW müssen in größeren kontrollierten klinischen Studien untersucht werden.

Literatur

1. Goldman, S.C., et al.: Blood 2001, 97, 2998.
2. Pui, C.-H., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 697.