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Unerwünschte Wirkungen der Akupunktur

Zwei prospektive Erhebungen aus Großbritannien haben versucht, die Häufigkeit von unerwünschten Wirkungen (UW) der Akupunktur quantitativ zu erfassen. Die erste stammt aus Exeter (White, A., et al.: Br. Med. J. 2001, 323, 485) wo 78 Akupunkteure (Ärzte und Heilpraktiker) eineinhalb Jahre lang monatlich über die aufgetretenen Komplikationen bei ihren eigenen Sitzungen berichteten. Die Teilnehmer hatten sich freiwillig auf ein Inserat in einer Fachverbandszeitschrift gemeldet (2750 Mitglieder). Es kamen so über 31000 Konsultationen zusammen, bei denen 2135 Ereignisse dokumentiert wurden. Letztlich wurden 43 Ereignisse als signifikante UW interpretiert: Kollaps (6), Übelkeit/Erbrechen (3), Angst/Panikattacken (2), Exazerbation der vorbestehenden Symptome (5), Krampfanfall (1), Schläfrigkeit/Lethargie/Desorientiertheit (6), lokale Probleme an der Punktionsstelle (7). Keines dieser Ereignisse wurde als schwerwiegend eingeschätzt, und alle waren reversibel.

Die zweite Studie kommt aus York (York acupuncture safety study. MacPherson, H., et al.: Br. Med. J. 2001, 323, 486), wo alle 1848 Mitglieder der britischen Akupunkturgesellschaft (BAC) eingeladen wurden, über ihre beobachteten UW zu berichten. Letztlich nahmen an der 4-wöchigen prospektiven Erhebung 574 Akupunkteure teil. Es konnten so die Daten von über 34000 Behandlungen ausgewertet werden. Auch in dieser Erhebung wurden 43 Ereignisse gezählt: z.B. Übelkeit, Schwindel, Kollaps (12), Verschlechterung der vorbestehenden Symptome (7), psychiatrische und emotionale Probleme (4). Schwerwiegende Ereignisse wurden allerdings nicht berichtet. Kleinere, erwartete Komplikationen waren lokale Hautirritationen (1,7%), Schmerzen an der Punktionsstelle (1,2%) und Blutung an der Punktionsstelle (0,4%).

Beide Studien fanden also übereinstimmend keine schwerwiegenden,durch Akupunktur ausgelösten UW. Signifikante und reversible UW wurden mit einer Häufigkeit von 13-15/10000 Behandlungen beobachtet. Diese Daten sollten aber nicht verallgemeinert werden, da die Datenerfassung nicht systematisch war und nicht objektiviert wurde. Die Teilnahme an beiden Untersuchungen war freiwillig und eher gering. Die teilnehmenden Akupunkteure sind sicherlich besonders in der Sache engagiert. In beiden Studien hatten zwei Drittel der Akupunkteure mehr als 5 Jahre Erfahrung mit der Methode.

Die Akupunktur in der heutigen klinischen Praxis leidet unter den erheblichen Unterschieden im Wissen und in der Erfahrung der Anwender. Es ist zu vermuten, daß die Komplikationshäufigkeit bei den weniger trainierten und unerfahrenen Anwendern deutlich höher liegt. So erinnern wir uns an einen jungen Mann mit chronischen Rückenschmerzen, der an einer Staphylokokken-Sepsis gestorben ist. Der Sepsisherd war ein paravertebraler Abszeß, der in Folge mehrerer lokaler Akupunkturen entstanden war. Eine andere schwerwiegende Akupunktur-Komplikation, über die häufiger berichtet wird, ist der Pneumothorax. Von den beiden Studien nicht erfaßt und auch nur sehr schwer zu ermitteln sind solche Schäden, die durch Unterlassen oder Verzögern einer speziellen Diagnostik bzw. als wirksam anerkannten Therapie eingetreten sind.