Häufig werden Patienten mit Arthrosen Knorpelextrakt-Präparate oder Glucosamin (Dona 200-S, Progona) verschrieben oder sie werden rezeptfrei gekauft, ohne daß methodisch saubere Studien bisher ihre Wirksamkeit belegen. Im Lancet (2001,
357, 251) erschien jetzt eine um eine saubere Methodik bemühte Studie von J.Y. Reginster et al. aus Lüttich, in der bei je 106 Patienten (meist Frauen) mit Gonarthrose (englisch: Knee osteoarthritis) der Effekt von 1500 mg Glucosamin-Sulfat oral einmal täglich 3 Jahre lang mit Plazebo verglichen wurde. Die Randomisierung war einwandfrei. Patienten/innen mit erheblicher entzündlicher Komponente der Gelenkerkrankung (Blutsenkung > 40 mm/1. h, erhöhter Rheumafaktor) und mit anderen wichtigen Systemerkrankungen wurden nicht in die Studie eingeschlossen. Eine Steroidtherapie mußte mindestens 3 Monate zurückliegen. Erlaubt war die Einnahme von Paracetamol, Diclofenac, Piroxicam oder Proglumetacin (Protaxon)-Tabletten, jedoch mußte die Einnahme jeder Tablette zwecks späterer Auswertung des Verbrauchs registriert werden. Endpunkte der Studie waren Änderungen der Breite des medialen Kniegelenkspalts zwischen Beginn und Ende der Studie. Hierfür wurden technisch standardisierte Knieaufnahmen durchgeführt, die visuell sowie mit einem Computerprogramm (beides verblindet) durch einen unabhängigen Untersucher in London befundet wurden. Darüber hinaus wurde ein in der Rheumatologie bekannter klinischer Symptomen-Score (WOMAC) zur Evaluierung der Beschwerden (Schmerzen bzw. Funktionsbehinderung) benutzt.
Ergebnisse: Nach 3 Jahren hatte die Breite des radiologisch gemessenen Gelenkspalts in der Plazebo-Gruppe signifikant stärker als in der Verum-Gruppe abgenommen (Unterschied: 0,24 mm; p = 0,043). Die Schmerzen hatten in der Plazebo-Gruppe um 9,8% zugenommen, die in der Verum-Gruppe um 24,3% abgenommen (p = 0,016). Auch die Funktion des Knies wurde in der Verum-Gruppe am Ende der Studie besser beurteilt als in der Plazebo-Gruppe. Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf und wurden von den Autoren eher dem Paracetamol und den nichtsteroidalen Antiphlogistika als dem Glucosamin oder dem Plazebo zugeordnet. Auffällig war jedoch, daß in beiden Gruppen viele Patienten (35 in der Plazebo- und 38 in der Verum-Gruppe) die Studie nicht zu Ende führten, entweder wegen UAW oder wegen mangelnder Effektivität. Auch war der Schmerzmittelverbrauch in den Gruppen nicht verschieden. So konnten nur 71 bzw. 68 Patienten in der Plazebo- bzw. Verum-Gruppe am Ende voll ausgewertet werden. Jedoch blieben die erwähnten Ergebnisse auch auf der „Intention-to-treat“-Basis signifikant. Die Autoren vermeiden (zu recht) eine Überinterpretation ihrer Daten und betonen den günstigen klinischen Effekt, der jedoch mit den objektivierbaren radiologischen Unterschieden in den beiden Gruppen nicht korrelierte. Bei Beantwortung der Frage, ob der Effekt von Glucosamin-Sulfat klinisch wichtig und auch über mehr als 3 Jahre fortzusetzen ist, sind sie zurückhaltend. Die Studie wurde von einem italienischen Hersteller von Glucosamin finanziell unterstützt.
In einem begleitenden Editorial von T. McAlindon aus Boston (Lancet 2001, 357, 247) wird die Studie als bemerkenswerter Beitrag zur Arthrose-Therapie herausgestellt. Dennoch wird mit einiger Zurückhaltung die Breite des Gelenkspalts als aussagekräftige Meßgröße für die Progression einer Arthrose bewertet. Es handele sich jedoch um eine preiswerte und nebenwirkungsarme ergänzende Therapie dieser häufigen und oft sehr belastenden Erkrankung. In vielen Ländern seien allerdings Glucosamin-Sulfat und ähnliche Verbindungen bereits als „Nutritional supplements“ (Nahrungs-Ergänzungsmittel) auf dem Markt. Vermutlich werde diese Studie daher eher den Herstellern dieser Präparate als der pharmazeutischen Firma zugute kommen, die die Studie finanziert habe.
Fazit: 1500 mg Glucosamin/d oral zusätzlich zu einer Schmerz- und entzündungshemmenden Therapie mit Paracetamol bzw. nichtsteroidalen Antiphlogistika scheint die zunehmende Verschmälerung des Gelenkspalts bei Gonarthrose und die Beschwerden günstig zu beeinflussen. Patienten mit erheblichen Beschwerden und mit aktivierten Arthrosen wurden in dieser Studie allerdings nicht untersucht, obwohl es gerade diejenigen Patienten sind, deren Therapiebedarf besonders groß ist. Auch ist die Zahl der untersuchten Patienten zu gering, um die Verträglichkeit von Glucosamin abschließend zu beurteilen.