Etwa 40 bis 50% der Frauen zwischen 45 und 55 Jahren leiden in der Peri- bzw. Postmenopause unter Hitzewallungen. Östrogene sind sehr effektiv in der Behandlung dieses lästigen Symptoms, das auf Vasomotoren-Instabilität infolge einer in kurzer Frist abgesenkten Östrogenkonzentration in dieser Lebensperiode der Frau zurückgeführt wird. Kontraindikationen gegen die Einnahme von Östrogenen sind erhöhtes Risiko für Thromboembolien und Mammakarzinom. Alternative Medikamente zur Behandlung von Hitzewallungen sind Clonidin, Alpha-Methyldopa, manche Gestagene und Antidepressiva (D. H. Barlow: Lancet 2000, 356, 2025).
C.L. Loprinzi et al. aus der Mayo Clinic, Rochester, USA, publizierten jetzt Ergebnisse einer Studie (Lancet 2000, 356, 2059) zur Wirkung eines Antidepressivums, das sowohl die Wiederaufnahme von Serotonin als auch von Noradrenalin in Gehirnsynapsen inhibiert, auf das Symptom der Hitzewallungen bei Frauen nach der Menopause. Die meisten Frauen hatten ein Mammakarzinom gehabt oder wollten keine Östrogene einnehmen; 69% der Frauen nahmen Tamoxifen ein. Es handelte sich um eine prospektive, plazebokontrollierte, doppeltblinde Studie, in der jeweils ca. 55 Frauen Plazebo, 37,5 mg/d bzw. 75 mg/d bzw. 150 mg/d des Medikaments Venlafaxin (Trevilor) einnahmen. In den Verum-Gruppen begannen zunächst alle Patientinnen mit 37,5 mg/d. In zwei Untergruppen wurde die Medikation langsam auf 75 mg/d bzw. 150 mg/d gesteigert. Primäre Endpunkte waren die tägliche Zahl und der Schweregrad der Hitzewallungen. Diese Daten sowie auch die Häufigkeit anderer erwünschter und unerwünschter Wirkungen wurden per Fragebogen ermittelt.
Ergebnisse: Die Daten von 191 der insgesamt 221 Patientinnen waren auswertbar. In der Plazebo-Gruppe waren die Hitzewallungen im Vergleich mit der Ausgangslage um 27%, in der mit 37,5 mg/d Verum dosierten Gruppe um 37% und in den höher dosierten Gruppen um 61% reduziert. In allen Verum-Gruppen kam es im Vergleich mit Plazebo zu einer Steigerung der Libido, am meisten in der 75 mg-Verum-Gruppe. Dieser Effekt war nicht erwartet worden. Wichtigste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) waren Mundtrockenheit, verminderter Appetit, Übelkeit und Verstopfung. Die vermehrte Übelkeit betraf maximal 20% der Patientinnen, war dosisunabhängig und auf die erste Woche beschränkt. Verminderter Appetit, Mundtrockenheit und Verstopfung waren bei Einnahme von 150 mg/d Verum deutlich stärker ausgeprägt als bei Einnahme der gleich wirksamen Dosis 75 mg/d. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß 75 mg Venlafaxin eine bei mehr als der Hälfte ihrer Patientinnen wirksame und relativ gut verträgliche tägliche Dosis zur Behandlung der Hitzewallungen ist. Die Behandlungsergebnisse waren bei Frauen mit und ohne parallele Einnahme von Tamoxifen nicht erkennbar unterschiedlich.
In der Diskussion der Arbeit und in dem bereits oben zitierten Editorial von D.H. Barlow werden Alternativen zur Behandlung von Hitzewallungen bei Frauen im mittleren Lebensalter unter besonderer Berücksichtigung verschiedener Antidepressiva weiter diskutiert. Über die Langzeit-Wirksamkeit von Venlafaxin laufen weitere Studien, deren Ergebnisse noch nicht vorliegen. Das Medikament soll auch bei Männern mit Prostatakarzinom, die unter Antiandrogen-Therapie Hitzewallungen haben, wirksam sein (S.K. Quella: J. Urol. 1999, 162, 98).
Fazit: Venlafaxin ist in einer Dosierung von 37,5 mg/d oder 75 mg/d offenbar zur Behandlung von Hitzewallungen bei peri-/postmenopausalen Frauen, die keine Östrogene einnehmen dürfen oder wollen, geeignet. Bei einem Therapieversuch sollte zur Vermeidung von UAW die kleinste wirksame Dosis verwendet werden.