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Behandlung des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) mit Platin-haltigen Kombinationen der dritten Generation

Etwa 70% der Patienten mit NSCLC haben zum Zeitpunkt der Diagnose eine lokal fortgeschrittene, inoperable oder bereits metastasierte Erkrankung und kommen deshalb für eine palliative Polychemotherapie, evtl. in Kombination mit Operation und Bestrahlung, in Betracht. Leider sind die Therapieergebnisse mit Cisplatin-haltigen Chemotherapiekombinationen unbefriedigend. Nach Chemotherapie mit Kombinationen der ersten oder zweiten Generation leben ein Jahr nach Diagnose nur noch etwa 10-25% der Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC (vgl. AMB 1997, 31, 94a). An neuere Zytostatika wie z.B. Paclitaxel (Taxol), Docetaxel (Taxotere) oder Gemcitabin (Gemzar; vgl. AMB 2000, 34, 38a) wurde deshalb die Hoffnung geknüpft, daß sie in Kombination mit Cis- oder Carboplatin zu höheren Ansprechraten und einer deutlichen Verbesserung der Prognose führen können. In einer großen randomisierten Studie der ”Eastern Cooperative Oncology Group” (ECOG) bei insgesamt 1207 Patienten (medianes Alter: 63 Jahre, 63% Männer) mit NSCLC im Stadium IIIB (13%) oder IV (87%) wurde jetzt die Wirksamkeit von 3 Platin-haltigen Chemotherapiekombinationen (Cisplatin plus Gemcitabin, Cisplatin plus Docetaxel, Carboplatin plus Paclitaxel) mit dem von den Autoren als Standardschema ausgewählten Cisplatin plus Paclitaxel randomisiert verglichen (Schiller, J.H., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 92). Vier der 8 Autoren dieser Publikation erhielten finanzielle Unterstützung (z.B. für Forschungsprojekte oder Beratertätigkeit) durch die Firmen Lilly, Bristol-Myers Squibb und Aventis. Die Chemotherapie wurde alle 3 oder 4 Wochen wiederholt, wobei genaue Angaben zur Zahl der verabreichten Chemotherapiezyklen und zur Art der Chemotherapie bei Progreß der Erkrankung nicht gemacht wurden. Primäres Zielkriterium war das Überleben, das ab Aufnahme in die Studie berechnet wurde. Die Ansprechrate der 1155 auswertbaren Patienten war 19%, das mediane Überleben für alle Patienten betrug 8,0 Monate, und die Überlebensrate lag nach einem Jahr bei 34% bzw. nach 2 Jahren bei 12%. Weder Ansprechrate noch Überleben unterschieden sich zwischen den 4 Armen der Studie. Die mediane Zeit bis zum Progreß der Erkrankung war in der Cisplatin-/Paclitaxel-Gruppe signifikant kürzer (3,4 Monate) als in der Cisplatin-/Gemcitabin-Gruppe (4,2 Monate). Dieser geringe Vorteil war jedoch mit einer stärkeren renalen Toxizität bei Patienten, die mit Cisplatin plus Gemcitabin behandelt wurden, verbunden. Aufgrund der sehr ungünstigen Therapieergebnisse bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand (medianes Überleben: 3,9 Monate) wurden während der Studie die Einschlußkriterien geändert und Patienten in schlechtem Allgemeinzustand ausgeschlossen. Eine gründliche Auswertung der Toxizität der 4 Chemotherapie-Kombinationen erfolgte leider ebensowenig wie Untersuchungen zur ”Lebensqualität” oder Kosten-Nutzen-Analysen der sehr teuren neuen Zytostatika. Febrile Neutropenie, Übelkeit und Erbrechen waren bei der Kombination von Carboplatin und Paclitaxel etwas seltener als bei den 3 anderen Kombinationen. Schwere Thrombozytopenie und renale Toxizität traten bei der Kombination Cisplatin plus Gemcitabin häufiger, Anämie und febrile Neutropenie seltener als bei Cisplatin plus Paclitaxel auf. Im Unterschied zu Gemcitabin und Paclitaxel ist Docetaxel in Deutschland nicht zur Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC zugelassen.

Fazit: Chemotherapie-Kombinationen von Cis- oder Carboplatin mit Taxanen oder Gemcitabin unterscheiden sich nicht signifikant in Ansprechrate und medianem Überleben bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC. Aufgrund der etwas besseren Verträglichkeit hat sich die ECOG derzeit für Carboplatin plus Paclitaxel als Vergleichsschema in zukünftigen Studien bei NSCLC entschieden. Ob generell Platin-haltige Kombination mit Taxanen oder Gemcitabin einen wesentlichen Vorteil gegenüber älteren, aber deutlich kostengünstigeren Schemata haben, wird in einem Editorial zu dieser Arbeit bezweifelt (Carney, D.N.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 126). Patienten in schlechtem Allgemeinzustand profitieren nicht von einer Polychemotherapie. Der Stellenwert neuer biologischer Therapiestrategien (z.B. Antikörper gegen den ”Epidermal growth factor receptor” oder Tyrosinkinase-Inhibitoren) beim NSCLC ist noch unklar.