Wir haben über die neuesten Entwicklungen bei den intrakoronaren Stents berichtet (1, 2). In Deutschland sind zwei medikamentenbeschichtete Stents zugelassen: seit über 1,5 Jahren der Sirolimus-Stent der Firma Cordis (Cypher) und seit einem halben Jahr der Taxol-Stent der Firma Boston (Taxus). Über die Verordnungshäufigkeit in Deutschland wissen wir noch wenig. Vor allem wegen der hohen Kosten des Stents und der noch besser zu spezifizierenden Indikationen warten die meisten Katheterärzte noch ab.
In den USA ist der Sirolimus-Stent seit April 2003 zugelassen. Die amerikanischen Kollegen sind weit weniger zurückhaltend als die Europäer. Es wurde allein in den ersten 3 Monaten nach Firmenangaben über 50000 US-Amerikanern ein Cypher-Stent implantiert und in den ersten 6 Monaten über 250000 Stück verkauft.
Nun kommen aus den USA mehrere Berichte und Warnungen der Gesundheitsbehörden über Komplikationen nach Implantation eines solchen Sirolimus-Stents. So gibt die FDA auf ihrer Website bekannt, daß ihr Einzelmeldungen über 290 subakute Stent-Thrombosen vorliegen, davon mehr als 60 mit tödlichem Ausgang (3). Die Behörde schätzt, daß ihr nur etwa ein Viertel der tatsächlichen Komplikationen gemeldet werden, die Zahl also noch wesentlich höher liegen müßte. Zudem berichtet die Firma in einer Stellungnahme, die ebenfalls auf der FDA-Website zu lesen ist, über häufigere allergische Reaktionen im Zusammenhang mit dem Sirolimus-Stent (Hautausschlag, Atemwegsprobleme, Fieber u.a.). Bislang ist noch nicht klar, ob diese Beobachtungen eine spezifische UAW des Cypher-Stents sind. Auch bei den konventionellen Stents treten Stent-Thrombosen auf, die aber nur sehr selten gemeldet werden, weil diese Thrombosen von den Ärzten nicht auf den Stent selbst zurückgeführt werden. Insofern sollten die Meldungen über den Cypher-Stent jetzt nicht überinterpretiert und erst größere vergleichende Kohortenstudien abgewartet werden.
Aus europäischer Perspektive ist das eigentlich Interessante an diesem Tatbestand, daß in den USA nach Einführung des neuen Produkts die Systeme der Pharmakovigilanz bereits nach 3 Monaten Alarm schlagen, während in Europa das gleiche Produkt bereits über 1,5 Jahre lang angewendet wird, ohne daß die Meldesysteme aktiviert wurden. Die europäischen und nationalen Arzneimittelbehörden und allen voran die europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) müssen sich dringend mit dem Problem der geringen Pharmakovigilanz bei beschichteten Stents, die sowohl Medizinprodukt als auch Pharmakon sind, intensiver beschäftigen. Unsere Leser sollten unbedingt alle Thrombosen in beschichteten Gefäß-Stents als Arzneimittelnebenwirkung dem BfArM oder der Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft melden.
Literatur