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Tamoxifen zur Behandlung der „physiologischen“ und der Pubertäts-Gynäkomastie

Eine einseitige oder doppelseitige Gynäkomastie ist bei jungen Heranwachsenden und Männern ein sehr häufiges Phänomen. Eine gewisse, meist vorübergehende Schwellung des Brustdrüsenkörpers kann als „physiologisch“ betrachtet werden. Insofern ist die Grenze zwischen dem Normalen und dem ausgeprägteren Phänomen, das man Gynäkomastie nennt, fließend. Letztere wird offenbar durch ein Ungleichgewicht zwischen den das Brustdrüsen-Epithel stimulierenden freien (d.h. nicht fest an Protein gebundenen) Östrogenen und dem supprimierenden freien Testosteron bewirkt. Die Gynäkomastie kann in Form von retromammillären, oft schmerzhaften Knoten und in der mehr flächigen, fettreichen Form auftreten, wobei der Drüsenkörper aber auch meist vergrößert ist. Da Mamma-Karzinome bei Männern extrem selten sind, ist eine bioptische Abklärung selten erforderlich. Die benigne Gynäkomastie ist harmlos. Meistens machen die kosmetische Störung oder Schmerzen die Behandlung wünschenswert oder erforderlich. Viele Patienten mit Gynäkomastie wurden bisher operiert mit nicht immer befriedigendem kosmetischem Ergebnis.

Im Brit. Med. J. erschien jetzt eine kurze Arbeit von H.N. Khan und R.W. Blamey aus Nottingham, UK, in der eigene Befunde und Ergebnisse anderer Gruppen zur konservativen Therapie der Gynäkomastie mit dem Anti-Östrogen (oder SERM: selective estrogen receptor modulator) Tamoxifen referiert werden (1). Tamoxifen hat einen festen Platz in der Therapie des Mamma-Karzinoms der Frau. Es hemmt die Wirkung von Östrogenen im Brustdrüsengewebe, hat aber am Knochen eine proöstrogene Wirkung. Khan et al. zitieren eine von ihnen publizierte sehr kurze Arbeit, in der über die Behandlung von 31 Männern im Alter von 31 (18-64) Jahren, bei denen im Mittel seit 4 (1-20) Monaten eine Gynäkomastie bestand, mit täglich 20 mg Tamoxifen für 6-12 Wochen berichtet wird (2). Alle 21 Patienten mit knotiger und schmerzhafter Gynäkomastie hätten eine deutlich Besserung mit Verkleinerung der Knoten und der Beschwerden gezeigt. Bei 10 Patienten mit flächiger Gynäkomastie, die häufig auch mit Übergewicht assoziiert ist, war die Erfolgsrate mit 60% geringer. Es traten keine Nebenwirkungen auf.

M.T. McDermott et al. aus den USA berichteten über eine Cross-over-Studie mit Tamoxifen versus Plazebo für jeweils 2-4 Monate bei 6 Armeeangehörigen mit erheblicher knotiger und schmerzhafter Gynäkomastie (3). Hinsichtlich der Schmerzbesserung war Tamoxifen dem Plazebo eindeutig überlegen, ebenso bei der Behandlung von kleineren, dagegen nicht von sehr großen Knoten.

T.T. Alagaratnam aus Hong Kong behandelte 61 chinesische Männer mit idiopathischer Gynäkomastie mit 40 mg Tamoxifen/d für im Mittel 2 (1-4) Monate (4). Angeblich verschwand die Brustschwellung bei 80% der Behandelten komplett. Eine Nachuntersuchung und Befragung der Patienten nach 36 Monaten ergab keine unerwünschten Wirkungen von Tamoxifen.

L.N. Parker et al. führten bei 10 Männern mit Gynäkomastie (davon 4 mit Schmerzen) eine doppeltblinde Cross-over-Studie mit Plazebo versus 20 mg Tamoxifen/d für nur einen Monat durch (5). Bei 7 Patienten wurde nach Tamoxifen die Brust kleiner, und alle 4 Patienten mit Schmerzen gaben eine deutliche Besserung an, während Plazebo wirkungslos war. Die Autoren halten die Therapie für wirksam, empfehlen aber eine längere Behandlungsdauer.

Fazit: Alle diese Studien sind nicht umfangreich und haben keine große statistische Aussagekraft. Bevor validere Studien vorliegen, kann man ihnen aber entnehmen, daß Tamoxifen bei Gynäkomastie offenbar wirksam ist. Wegen des sehr günstigen Nebenwirkungsprofils von Tamoxifen bei Männern sollte diese einfache konservative Therapie, auch von Hausärzten, jedoch versucht werden, bevor die Patienten zum Chirurgen geschickt werden.

Literatur

  1. Khan, H.N., und Blamey, R.W.: Brit. Med. J. 2003, 327, 301.
  2. Khan, H.N., et al.: Brit. J. Surg. 2003, 90 Suppl.1, 100.
  3. McDermott, M.T., et al.: South Med. J. 1990, 83, 1283.
  4. Alagaratnam, T.T.: Clin. Ther. 1987, 9, 483.
  5. Parker, L.N., et al.: Metabolism 1986, 35, 705.