Die sehr schlechte Prognose des Pankreaskarzinoms hat sich trotz verbesserter operativer und strahlentherapeutischer Techniken sowie neuer Zytostatika (z.B. Gemcitabin; vgl. 1) nicht wesentlich verbessert. Weniger als 5% aller Patienten mit Pankreaskarzinom überleben 5 Jahre. Auch bei den wenigen Patienten (10-15%), bei denen eine potenziell kurative Operation (Duodenopankreatektomie) durchgeführt werden kann, beträgt das mediane Überleben nur 10-18 Monate, und 17-24% überleben 5 Jahre (2). Verschiedene Studien zur Chemoradio- oder alleinigen Chemotherapie haben tendenziell eine Verbesserung des Überlebens nach adjuvanter Therapie gezeigt, erlauben jedoch aufgrund kleiner Patientenzahlen keine endgültigen Aussagen (3). Die 2001 publizierten Zwischenergebnisse der ESPAC-1-Studie zur Wirksamkeit der adjuvanten Therapie hatten nach einer medianen Beobachtungsdauer von 10 Monaten keinen Vorteil für eine kombinierte Chemoradiotherapie, jedoch eine signifikante Verbesserung des Überlebens nach alleiniger Chemotherapie mit 5-Fluorouracil (5-FU) plus Kalziumfolinat (19,7 Monate versus 14,0 Monate; p = 0,0005) ergeben (2). Diese Ergebnisse wurden jedoch angezweifelt, da sie auf einer gemeinsamen Auswertung einer Studie mit einem „Two-by-two factorial design“ und von zwei weiteren Studien mit randomisiertem Vergleich (Chemoradiotherapie bzw. Chemotherapie versus keine adjuvante Therapie) beruhten (3). In einer aktuellen Auswertung dieser EPSAC-1-Studie wurden deshalb nur die 289 Patienten analysiert, bei denen nach Randomisierung entsprechend „Two-by-two factorial design“ eine Chemoradiotherapie (5-FU vor und nach Strahlentherapie mit 20 Gy; n = 73), eine alleinige Chemotherapie (6 Zyklen mit 5-FU plus Kalziumfolinat über 5 Tage; n = 75), Chemoradiotherapie plus Chemotherapie (n = 72) oder keine adjuvante Therapie (n = 69) durchgeführt wurde (4). Bei allen Patienten war zuvor eine komplette makroskopische Resektion des histologisch bestätigten Pankreaskarzinoms erfolgt. Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 47 Monaten liegt die geschätzte Fünf-Jahres-Überlebensrate bei 10% für Patienten mit Chemoradiotherapie versus 20% für Patienten ohne Chemoradiotherapie (p = 0,05) und bei 21% für Patienten mit alleiniger Chemotherapie versus 8% für Patienten ohne Chemotherapie (p = 0,009). Das mediane Überleben liegt bei 15,9 bzw. 17,9 Monaten (Vergleich Chemoradio- versus keine Chemoradiotherapie) und bei 20,1 bzw. 15,5 Monaten (Vergleich Chemo- versus keine Chemotherapie). Die Überlebenskurven entfernen sich bereits 8 Monate nach Resektion des Tumors zugunsten der Chemotherapie voneinander, lassen jedoch erst 14 Monate nach Operation einen Nachteil der Chemoradiotherapie erkennen. Dies wurde von den Autoren mit einer aufgrund der Bestrahlung verzögerten Verabreichung der Chemotherapie im Chemoradiotherapie-Arm erklärt. Dementsprechend ist auch die mediane Zeit bis zum Auftreten eines lokalen Rezidivs oder von Metastasen bei Patienten nach adjuvanter Chemotherapie mit 15,3 Monaten länger als bei Patienten nach Chemoradiotherapie (10,7 Monate) oder keiner Chemotherapie (9,4 Monate). Ein Einfluß bekannter prognostischer Faktoren wie Tumorgrading, Tumorgröße und Lymphknotenstatus war nicht erkennbar. Untersuchungen zur Lebensqualität unter den verglichenen adjuvanten Therapiestrategien wurden bei 152 von 283 Patienten durchgeführt und ergaben 12 Monate nach operativer Resektion des Pankreaskarzinoms keine signifikanten Unterschiede.
Fazit: Eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU plus Kalziumfolinat verlängert das Überleben bei Patienten mit kompletter Resektion des Pankreaskarzinoms, wohingegen eine adjuvante kombinierte Chemoradiotherapie in der ESPAC-1-Studie einen eher ungünstigen Einfluß auf das Überleben zeigt. Aktuelle Studien zur adjuvanten Therapie des Pankreaskarzinoms (z.B. 5-FU plus Kalziumfolinat versus Gemcitabin bzw. Chemotherapie vor und nach Bestrahlung mit Gemcitabin versus 5-FU als Infusion) werden hoffentlich den Stellenwert der adjuvanten Chemotherapie bestätigen und neue Erkenntnisse über den optimalen Zeitpunkt bzw. die Art der Chemotherapie ergeben. Derzeit sollte eine adjuvante Therapie beim Pankreaskarzinom nur im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen.
Literatur
- AMB 1997, 31, 41.
- Neoptolemos, J.P., et al. (ESPAC-1 = European Study group for PAncreatic Cancer-1): Lancet 2001, 358, 1576.
- Choti, M.A.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 1249.
- Neoptolemos, J.P., et al. (ESPAC-1 = European Study group for PAncreatic Cancer-1): N. Engl. J. Med. 2004, 350, 1200.