Bei der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) unterscheidet man zwischen der symptomatischen Therapie, z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAID), und der Basistherapie (Disease modifying therapy), mit der die inflammatorische Aktivität der Erkrankung und der destruktive Verlauf an den Gelenken vermindert bzw. retardiert werden soll. Frühere Studien ergaben, daß Antagonisten des Tumor-Nekrose-Faktors alpha (TNF alpha, z.B. Infliximab, Adalinimab, Etanercept) bei Patienten, die nicht oder nur gering von der Behandlung mit Methotrexat (MTX) profitiert haben, einen starken antiinflammatorischen und die Gelenkdestruktion vermindernden Effekt haben (Literatur s. 1). Eine weitere Studie an RA-Patienten, die noch kein MTX erhalten hatten, zeigte, daß Etanercept im Vergleich mit MTX einen stärkeren antiinflammatorischen und die Gelenkdestruktion verhindernden Effekt hat (3). Wir haben wegen des bedenklichen Risikoprofils und der extrem hohen Therapiekosten die Meinung vertreten, daß TNF-Blockade nur bei Patienten, die auf andere Basistherapeutika nicht ansprechen, angewandt werden sollte und zwar im Rahmen von Studien (2). Der Arzneiverordnungs-Report ist fast gleicher Meinung (5). Demgegenüber wird in der ÄRZTEZEITUNG vom 7. Mai 2004 darüber nachgedacht, ob man die antirheumatische Therapie nicht mit TNF-Blockade beginnen und sie danach reduzieren sollte (step down) statt sie, wie bisher, erst bei unbefriedigendem Verlauf einzusetzen (step up). Dabei beruft man sich auf die folgende neue Studie.
Im Lancet wurden die Ergebnisse einer europäischen, dreiarmigen, randomisierten und doppeltblinden Multicenter-Studie von L. Klareskog et al. publiziert (4), mit der der klinische Effekt nach 6 Monaten Therapie und der radiologische Effekt an den Gelenken nach 12 Monaten Therapie bei Behandlung mit MTX (7,5-20 mg pro Woche) oder Etanercept (zweimal 25 mg s.c. pro Woche) oder MTX plus Etanercept verglichen wurden. Die 686 Patienten (ca. 77% Frauen) waren mindestens 18 Jahre alt (im Mittel ca. 53 Jahre) und litten seit 6 Monaten bis zu 20 Jahren (im Mittel 6-7 Jahre) an einer durch bestimmte Aktivitätsmerkmale definierten RA.
Die klinischen Symptome und der Behandlungserfolg wurden mit dem numerischen Index des American College of Rheumatology (ACR-N) ermittelt. Die radiologische Gelenkanatomie wurde anhand eines modifizierten Sharp-Score beschrieben. Die Patienten durften früher kein Etanercept und in den letzten 6 Monaten kein MTX erhalten haben. Sie hatten alle auf eine frühere Basistherapie (andere als MTX) nicht ausreichend reagiert.
Ergebnisse: Insgesamt war die Kombinationstherapie den Einzeltherapien hinsichtlich ACR-N und Progression der radiologischen Gelenkveränderungen überlegen, ohne daß in der Etanercept- oder in der Kombinations-Gruppe vermehrt Infekte (Haupt-UAW der Anti-TNF-alpha-Therapie) aufgetreten waren. Bei den Patienten mit schwerer RA bei Beginn der Behandlung (ACR 70) war die Überlegenheit der Kombination im Vergleich mit den Einzeltherapien am deutlichsten. Bei Schweregrad ACR 50 war die Überlegenheit weniger deutlich, bei leichter RA kaum nachweisbar. Insgesamt war Etanercept allein etwas wirksamer als MTX allein. Auch hinsichtlich Verschlechterung der Gelenkanatomie (besonders Gelenk-Erosionen, nicht aber Verschmälerung des Gelenkspalts) war MTX den beiden Etanercept-Gruppen deutlich unterlegen.
Etwa 70% der Patienten hatten UAW. Reaktionen an der Injektionsstelle waren häufiger unter Etanercept als unter Methotrexat (20% vs. 2%); Übelkeit und Erbrechen kamen bei Etanercept seltener vor (10% vs. 30%). Infektionen unter Etanercept waren in dieser Studie offenbar nicht häufiger, jedoch fehlt eine Auflistung aller beobachteten UAW.
Vier der vierzehn Autoren sind Angestellte der Herstellerfirma (Wyeth), zehn sind der Firma durch Untersuchungs- oder Beraterverträge verbunden.
In seinem Editorial (1) bemerkt A. Schnabel aus Wiesbaden, daß es trotz der besseren Wirkung einer Kombinationstherapie immer noch viele RA-Patienten gibt, bei denen die Behandlungserfolge mit einer Basistherapie und mit NSAID sehr dürftig sind. In bisherige Studien, einschließlich TEMPO (4), seien zu viele Patienten mit lange bestehender RA (hier im Mittel 6-7 Jahre) eingeschlossen worden. Es gebe Hinweise dafür, daß die Basistherapie umso besser wirke, je früher nach Krankheitsbeginn sie begonnen werde. Das sei bei neu zu planenden Therapiestudien zu berücksichtigen. Eine gesundheitsökonomische Anmerkung: Die Wochen-Therapiekosten mit Etanercept (Enbrel®; zweimal 25 mg) betragen ca. 450 EUR, die mit MTX weniger als 1 EUR. Man muß sich wundern, daß in Zeiten gedeckelter Budgets dieser entscheidend wichtige Aspekt nicht diskutiert wird.
Fazit: Eine Basis-Therapie der Rheumatoiden Arthritis mit Etanercept ist wirksamer – langfristig aber auch UAW-reicher – als eine Therapie mit Methotrexat. Die Kombinationstherapie war in dieser Studie wirksamer als die Einzeltherapien. Die Studie gibt keinen Aufschluß darüber, wann im Verlauf der Therapie Etanercept eingesetzt werden sollte (step up oder step down), denn bei leichter RA ist der Wirkungsunterschied gegenüber Methotrexat geringer. Wegen des Risikoprofils und des extrem hohen Preises sollte Etanercept vorläufig nur bei Patienten angewandt werden, die im Rahmen von Studien überwacht werden.
Literatur
- Schnabel, A.: Lancet 2004, 363, 670.
- AMB 2001, 35, 4.
- Genovese, M.C., et al.: Arthritis Rheum. 2002, 46, 1443.
- Klareskog, L., et al. (TEMPO = Trial of Etanercept and Methotrexate with radiographic Patient Outcomes): Lancet 2004, 363, 675.
- Schwabe, U., und Paffrath, D.: Arzneiverordnungs-Report 2003. Springer, Berlin, Heidelberg, New-York.