Artikel herunterladen

Mycophenolat Mofetil versus Azathioprin zur Prävention akuter Abstoßungsepisoden nach Nierentransplantation

Mycophenolat Mofetil (MMF) war Mitte der neunziger Jahre vor Einführung auf den internationalen Markt in drei großen Studien zur Prävention akuter Abstoßungsepisoden nach Nierentransplantation gegen Azathioprin (1, 2) bzw. Plazebo (3) bei Patienten untersucht worden, die bereits Ciclosporin (CIC) erhielten. Die Ergebnisse dieser Studien wurden von Halloran et al. (4) noch einmal in einer gemeinsamen Analyse zusammengefaßt: Damals wurde eine signifikant stärkere Reduktion der Zahl und Schwere akuter Transplantatrejektionen durch MMF in den ersten 12 Monaten gefunden, verglichen mit Azathioprin. In dieser Zeit wurde das stark hydrophobe CIC allerdings noch in einer öligen Lösung verabreicht. Gegen Ende der neunziger Jahre setzte sich weltweit die CIC-Mikroemulsion durch, die eine konstantere Bioverfügbarkeit dieses Immunsuppressivums gewährleistet und allein dadurch die Zahl akuter Transplantatrejektionen vermindert (5). Remuzzi et al. haben nun geprüft, ob sich auch in der Kombination mit der jetzt verwendeten CIC-Mikroemulsion noch ein signifikanter Vorteil von MMF gegenüber Azathioprin zur Prävention akuter Abstoßungsepisoden nach Nierentransplantation nachweisen läßt (6).

Die Studie wurde in zwei Phasen durchgeführt. Phase A erstreckte sich über die ersten sechs Monate nach der Transplantation. Während dieser Zeit entwickelten unter MMF 56 von 168 Patienten (34%) und unter Azathioprin 58 von 168 Patienten (35%) eine akute Transplantatrejektion. Auch in Phase B (7.-21. Monat) fand sich kein Unterschied zwischen den mit MMF bzw. mit Azathioprin behandelten Patienten. Mit MMF erlebten 14 von 88 Patienten (16%) eine akute Rejektion und mit Azathioprin 11 von 89 (12%). Das Infektionsrisiko und die Rate der Nebenwirkungen waren unter beiden Immunsuppressiva gleich. Die geschätzten Kosten für MMF lagen in beiden Phasen um mehr als das Zehnfache höher als für Azathioprin.

Der naheliegende Schluß, daß nach den Ergebnissen dieser Studie das kostenintensive MMF wieder verlassen werden könnte, ist allerdings mit Vorsicht zu ziehen, denn die Verwendung der CIC-Microemulsion ist nicht der einzige Unterschied zu den MMF-Einführungsstudien. Das Remuzzi-Protokoll zeichnet sich nämlich durch sehr hohe CIC-Zielkonzentrationen im Blut aus, sowohl in der Induktionsphase (250-440 ng/ml) als auch in der Erhaltungstherapie (150-250 ng/ml). Diese Zielspiegel wurden kontrolliert und auch in einem hohen Prozentsatz erreicht. In den Einführungsstudien war die CIC-Dosierung dagegen den teilnehmenden Zentren überlassen worden und wurde nicht dokumentiert. Es kann davon ausgegangen werden, daß die CIC-Konzentrationen in diesen früheren Studien erheblich niedriger lagen. Im Grunde ist die Remuzzi-Studie eher eine Demonstration des rationalen Umgangs mit Calcineurin-Inhibitoren (CIC, Tacrolimus). Der Haupteffekt der Calcineurin-Inhibitoren besteht darin, das Erkennen von Antigenen zu verhindern, und nicht so sehr darin, die Immunantwort zu unterdrücken, nachdem der Erkennungsvorgang bereits stattgefunden hat. Es wurden konsequenterweise bei der Transplantation sehr schnell die wirksamen CIC-Blutspiegel angestrebt und später auf einem relativ hohen Niveau belassen. Es muß daher offen bleiben, ob unter diesen Bedingungen der Effekt, wie er mit MMF oder Azathioprin erreicht wurde, nicht auch mit Plazebo erzielt worden wäre. Erstaunlich ist in der Studie die gute Nierenfunktion, da bei den erzielten CIC-Konzentrationen mit deutlicher Reduktion der renalen Clearance gerechnet werden muß. Über die Spender der Nieren enthält die Publikation keine Informationen. Unter heute in Deutschland üblichen Verhältnissen bei postmortaler Organspende wären CIC-Spiegel in der angegebenen Höhe wegen des Risikos, die Nierenfunktion zu beeinträchtigen, kaum durchzuhalten.

Bei der Immunsuppression nach Nierentransplantation gibt es zur Zeit recht unterschiedliche Entwicklungen. Zum einen wird versucht, sich durch Einsatz neuer Substanzen (z.B. Rapamycin) ganz oder teilweise von den Calcineurin-Inhibitoren zu trennen, zum anderen werden Kombinationen mit Calcineurin-Inhibitoren ohne Kortikosteroide untersucht. Offenbar müssen die Calcineurin-Inhibitoren ausreichend hoch dosiert werden, wenn man sich von Steroiden oder MMF trennen will.

Fazit: Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß bei nierentransplantierten Patienten, die CIC in Microemulsion erhalten (und die relativ hohe CIC-Blutkonzentrationen haben), die zusätzliche Gabe von MMF nicht wirksamer akute Abstoßungsepisoden verhindert als die zusätzliche Gabe von Azathioprin. Zudem sind die Kosten für MMF mehr als zehnmal höher.

Literatur

  1. Sollinger, H.W., for the US Renal Transplant Mycophenolate Mofetil Study Group: Transplantation 1995, 60, 225.
  2. The Tricontinental Mycophenolate Mofetil Renal Transplantation Study Group: Transplantation 1996, 61, 1029.
  3. European Mycophenolate Mofetil Cooperative Study Group: Lancet 1995, 345, 1321.
  4. Halloran, P., et al., for the International Mycophenolate Mofetil Renal Transplant Study Groups: Transplantation 1997, 63, 39.
  5. Keown, P., und Niese, D., on behalf of the International Sandimmun Neoral Study Group: Kidney Int. 1998, 54, 938.
  6. Remuzzi, G., et al. (MYSS = MYcophenolate Steroids Sparing Study): Lancet 2004, 364, 503.