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Schwere cholestatische Hepatitis durch Einnahme von Pyritinol

Im Brit. Med. J. (1) berichten V. Maria et al. aus Lissabon unter der Rubrik „Lesson of the week” über sechs junge (18-41 Jahre) Patienten (5 Frauen), die zum Zweck des „Memory improvement” zwei- bis dreimal 200 mg Pyritinol/d (Encephabol®) fünf Tage bis einen Monat lang eingenommen hatten. Danach traten Übelkeit mit oder ohne Erbrechen, Hautjucken und Ikterus mit deutlicher Erhöhung der Transaminasen, der Gamma-GT und der alkalischen Phosphatase auf. Bei drei Patienten fand sich sonographisch eine Hepatomegalie. Gallenwegsobstruktion und Virushepatitiden wurden ausgeschlossen. Vier Patienten hatten eine Ko-Medikation (Paracetamol, Nitrofurantoin, orales Kontrazeptivum, Piracetam plus Erythromycin), die aber wegen fehlender Beziehung zu Einnahmebeginn und -dauer etc. als Ursachen der Cholestase kaum in Frage kamen. Die UAW wurden in einem Krankenhaus, verteilt über 10 Jahre, beobachtet. Bei vier Patienten war die Cholestase so schwer, daß sie ins Krankenhaus aufgenommen werden mußten. Das Syndrom klang nach Absetzen von Pyritinol bei fünf Patienten klinisch ab, jedoch normalisierten sich die Leberenzyme (Transminasen früher als Cholestase-Enzyme) erst nach 1-6 Monaten. In einem Fall waren die Enzyme noch neun Monate nach dem Absetzen erhöht. Eine versehentliche Reexposition mit Pyritinol bei einer 24jährigen Frau sechs Monate nach Abklingen der ersten Cholestase führte zu einem Cholestaserezidiv. Derartige UAW von Pyritinol sind in diesem Schweregrad bisher nicht beschrieben. Erhöhung der Leberwerte, Exantheme, Übelkeit und Geschmacksstörungen sind allerdings bekannt (s.a. 2).

Die Autoren gingen der Frage nach, ob es sich um eine „metabolische Idiosynkrasie” oder um eine immunologische Hypersensitivität handelt. Bei allen Patienten führte ein Lymphozyten-Proliferationstest in Anwesenheit von Pyritinol, nicht aber der oben erwähnten Ko-Medikamente, zu einer starken Stimulation der Zellen mit deutlicher Vermehrung von CD4+ T-Lymphozyten. Bei sechs Kontrollpersonen und bei einer Pyritinol-Benutzerin ohne cholestatische Reaktion war der Lymphozytentest nicht reaktiv. Diese Befunde unterstützen die Annahme, daß die Cholestase-Reaktionen nach Pyritinol auf eine immunologische Hypersensitivitätsreaktion zurückzuführen sind.

In Deutschland scheint Pyritinol keinen großen Markt zu haben, da es z.B. im Arzneiverordnungs-Report 2003 nicht erwähnt wird. Aus den Umsatzdaten in Westeuropa schließen die Autoren, daß in diesem Bereich ca. 100000 Personen in den letzten fünf Jahren das Medikament eingenommen haben dürften.

Fazit: Dieses Beispiel zeigt, daß Medikamente nur bei erwiesener Indikation verordnet und eingenommen werden sollten, da es keine UAW-freien Medikamente gibt, auch nicht solche pflanzlicher Herkunft. Die Wirksamkeit von Pyritinol als Nootropikum ist äußerst fragwürdig. Wie von den Autoren vorgeschlagen, sollte das Medikament einer neuen Nutzen/Risiko-Prüfung unterzogen werden.

Literatur

  1. Maria, V., et al.: Brit. Med. J. 2004, 328, 572.
  2. Müller-Oerlinghausen, B., Lasek, R., Düppenbecker, H., Munter, K.H.: Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Urban & Fischer, München, Jena 1999. S. 452.