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Meta-Analyse: Hochdosiertes Vitamin E führt tendenziell zu höherer Letalität

Auf Grund von Tierexperimenten und Beobachtungsstudien könnte Vitamin E als Antioxidans Arteriosklerose und manche Tumore präventiv verhindern oder deren Ausbildung retardieren. Metaanalysen und Reviews randomisierter kontrollierter Langzeitstudien ergaben jedoch bisher keinen die Gesamtletalität vermindernden Effekt von hoch dosiertem Vitamin E bei Probanden und Patienten verglichen mit Plazebo.

Eine multinationale Autorengruppe unter Federführung von E.R. Miller aus Baltimore, USA (1), publizierte kürzlich die Ergebnisse einer Meta-Analyse, in der der Effekt verschiedener Dosen von Vitamin E (16,5-2000 IU/d) auf die Gesamtletalität recherchiert wurde. 19 Studien mit insgesamt ca. 136 000 Teilnehmern wurden ausgewertet. In neun derselben war Vitamin E allein, in den restlichen zusammen mit anderen Vitaminen und/oder Mineralien verabreicht worden. Die Intervention musste mindestens zwölf Monate gedauert haben, und in kleineren Studien mussten mindestens zehn Todesfälle in der Nachbeobachtungszeit aufgetreten sein.

Insgesamt ergaben sich für Studien mit relativ kleinen Dosen Vitamin E (von ca. 20-100 IU/d) Relative-Risiko(RR)-Werte für Letalität zwischen 0,98 und 0,99, wobei die unteren Grenzen der Vertrauensintervalle von 0,95-0,97 und die oberen Grenzen von 1,01-1,02 reichten, d.h. die Tendenz zu einem leicht protektiven Effekt war nicht signifikant.

Für höhere Tagesdosen (200-2000 IU/d) betrugen die RR-Werte für Letalität dosisabhängig steigend 1,01-1,07. Für die beiden höchsten Dosisgruppen (1000 und 2000 IU/d) waren die Vertrauensintervalle 1,01-1,09 bzw. 1,01-1,12, d.h. die leicht erhöhte Letalität war grenzwertig signifikant. Für alle Dosisgruppen zusammengenommen war, wie auch schon in früheren Studien, kein signifikanter Effekt im Vergleich mit Plazebo zu erkennen, die Tendenz war aber eher negativ. Es ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen Studien, in denen Vitamin E allein oder in Kombination verabreicht worden war.

Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Probanden- bzw. Patientenzahlen in Studien mit sehr hohen Dosen eher klein waren und dass die meisten dieser Studien an Kranken durchgeführt wurden. Insofern könne nicht automatisch auf einen die Letalität erhöhenden Effekt bei gesunden Probanden geschlossen werden. Ein protektiver Effekt ist jedoch unwahrscheinlich, so dass hohe Dosen Vitamin E nicht mehr verabreicht werden sollten.

Bisher wurde angenommen, dass alpha-Tocopherol-Dosen bis 1000 mg/d (entsprechend 1100 IU synthetischem oder 1500 IU natürlichem Vitamin E) verträglich seien und bedenkenlos genommen werden können. Die Ergebnisse der hier referierten Studie stellen diese Einschätzung in Frage. Ob kleinere Dosen von Vitamin E (bis 150 IU/d) irgendeinen Nutzen bringen, bleibt dahingestellt. Vitamin-E-Mangel kann bei extrem fettarmer Ernährung, bei Störungen der Fettverdauung und bei seltenen Fettstoffwechselstörungen auftreten. Diese Störungen liegen jedoch bei mindestens 99% der Menschen, die heutzutage Vitamin E konsumieren, nicht vor.

In einem Editorial mit dem Titel „Vitamin E supplements: Good in theory, but is the theory good?” diskutiert E.R. Greenberg aus New Hampshire, USA, die Ergebnisse von Miller et al. (2). Er hat selbst eine der in der Meta-Analyse berücksichtigten Studien geleitet und gibt zu bedenken, dass in zwei größeren ebenfalls berücksichtigten Studien mit hoch dosiertem Vitamin E zusätzlich hoch dosiertes Betacaroten gegeben wurde, das bereits früher mit erhöhter Letalität assoziiert war (s.a. 3). Er schließt sich im Wesentlichen aber den Empfehlungen von Miller et al. an und beklagt das ins Kraut schießende Vitamin-und-Mineralien-Supplement-Unwesen in den USA, wo nach seiner Schätzung etwa 22% aller Menschen über 55 Jahre Vitamin E (meist 400 IU/d) einnehmen.

Fazit: Hohe Vitamin-E-Dosen (400-2000 IU/d), für mindestens ein Jahr eingenommen, erhöhen dosisabhängig etwas das Letalitätsrisiko. Ein signifikant protektiver Effekt ist auch mit niedrigen Dosen nicht zu erkennen. Wir empfehlen deshalb, das Geld besser für den Einkauf qualitativ guter Nahrungsmittel als für Vitamin-E-Präparate auszugeben.

Literatur

  1. Miller, E.R. 3rd, et al.: Ann. Intern. Med. 2005, 142, 37.
  2. Greenberg, E.R.: Ann. Intern. Med. 2005, 142, 75.
  3. AMB 1996, 30, 531996, 30, 53 und 2003, 37, 70b.