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Stellenwert von Linezolid – ein Vertreter einer neuen Antibiotikaklasse – in der Therapie der Osteomyelitis

Fragen von Dr. W.T. aus Berlin: >> Ein 83-jähriger Patient wurde wegen Verdachts auf eine Infektion einer vor 12 Jahren implantierten Hüftendoprothese ins Krankenhaus eingewiesen. Zur Vorgeschichte des Patienten ist zu erwähnen, dass er vor Jahren wegen eines hartnäckigen postoperativen Harnwegsinfekts über Monate mit verschiedenen Antibiotika, auch i.v., behandelt wurde. Später kam noch eine längere antibiotische Behandlung wegen einer Enterokokken-Endokarditis hinzu. Aktuell musste im Krankenhaus das Implantat entfernt werden. Intraoperativ bestätigte sich der klinische und radiologische Verdacht einer Protheseninfektion mit Osteomyelitis. Mikrobiologisch konnten aus dem entfernten Material Ampicillin-resistente Enterokokken angezüchtet werden. Hierauf erfolgte die Umstellung der Antibiose auf Linezolid (Zyvoxid®). Hierunter zeigte der Patient eine deutliche Besserung. Nach drei Wochen wurde die Therapie von i.v. auf oral umgesetzt und der Patient wieder in meine hausärztliche Betreuung übergeben.

1. Um welche Antibiotikaklasse handelt es sich bei Linezolid? 2. Ist es zur Behandlung einer Osteomyelitis geeignet? Gibt es eine alternative Behandlungsmöglichkeit, da die Kosten sehr hoch liegen? 3. Im Beipackzettel wird darauf hingewiesen, dass bei einer Behandlungsdauer über 14 Tage mit vermehrtem Auftreten von Nebenwirkungen zu rechnen ist. Wie lange muss behandelt werden? <<

Antwort: >> Zu 1: Linezolid (Zyvoxid®) ist der erste Vertreter einer neuen Antibiotikaklasse, den Oxazolidinonen (u.a. 1, 2). Linezolid hemmt die bakterielle Proteinsynthese bei einem bisher von keinem anderen Antibiotikum beeinflussten Schritt – nämlich bei der Bildung des Initiationskomplexes. Somit besteht zumindest theoretisch keine Gefahr der Kreuzresistenzbildung (u.a. 1).

Aus praktischer Sicht hat Linezolid drei entscheidende Eigenschaften: a) Es ist besonders gut wirksam gegen Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und gegen den Methizillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA; 1). Beides sind grampositive Bakterien, die in den letzten Jahren zunehmend schwer zu behandelnde nosokomiale Infektionen verursachen. Insofern ist dieses neue Antibiotikum ein Fortschritt (3). Es soll aber nur als Reserveantibiotikum eingesetzt werden, um seine Wirksamkeit in Situationen mit fehlenden Alternativen nicht zu gefährden. b) Linezolid steht auch in oraler Applikationsform zur Verfügung, was den Aufenthalt mancher Patienten im Krankenhaus verkürzen kann. Nach oraler Gabe wird Linezolid vollständig resorbiert. Die maximale Serumkonzentration wird nach 1-2 h erreicht, und die Halbwertszeit beträgt ca. 5 h. Über 65% der Dosis werden als Metabolite renal ausgeschieden (1). c) Gegenüber Vancomycin hat Linezolid neben der oralen Verfügbarkeit den Vorteil, dass es weniger nephrotoxisch ist, ein Problem, das bei vielen Patienten mit diesen Infektionen zu bedenken ist (1-3).

Zu 2: Da bei Ihrem Patienten im Bereich der Hüftendoprothese resistente Enterokokken nachgewiesen wurden und der Patient bisher offensichtlich gut angesprochen hat, sollte die Therapie mit Linezolid mindestens bis zu einer Gesamtbehandlungsdauer von 6-8 Wochen fortgeführt werden. Dies entspricht den Empfehlungen zur Behandlungsdauer für Osteomyelitis (4, 5). Da Linezolid gut gewebegängig ist (6), scheint es zur Behandlung von Weichteil- und Knocheninfektionen geeignet zu sein. Größere Studien zur Osteomyelitis-Behandlung mit Linezolid liegen bisher noch nicht vor. Es gibt aber eine Studie zur Behandlung des diabetischen Fußes mit Linezolid versus Ampicillin-Sulbactam bzw. Amoxicillin-Clavulansäure. In dieser Studie, in die auch Patienten mit Osteomyelitis eingeschlossen wurden, erwies sich Linezolid gegenüber den Vergleichsantibiotika als mindestens gleichwertig (7). In einer Beobachtungsstudie wurden 22 Patienten mit Osteomyelitis mit Linezolid behandelt. In dieser Studie zeigten 18 (81,8%) eine Heilung und 4 (18,2%) ein Therapieversagen (8). Darüber hinaus gibt es mehrere Fallberichte zur Behandlung einer Osteomyelitis mit Linezolid (9, 10). Somit scheint sich abzuzeichnen, dass Linezolid zur Behandlung der Osteomyelitis geeignet ist. Die Behandlungskosten sind in der Tat extrem hoch (112 EUR/d; 3). In dem von Ihnen geschilderten Fall gibt es derzeit zumindest für die orale Therapie praktisch keine Alternativen. Durch die orale Verfügbarkeit des Medikaments kann der Krankenhausaufenthalt des Patienten verkürzt werden, so dass die Kosten für die Krankenkasse eher geringer ausfallen.

Zu 3: Da, wie unter 2 erwähnt, noch keine kontrollierten größeren Studien zur Osteomyelitisbehandlung mit Linezolid durchgeführt wurden, gibt es bisher noch wenig Erfahrung zu den UAW bei Langzeit-Gabe von Linezolid (länger als 2-4 Wochen). Im Rahmen von Einzelfallbeschreibungen und Beobachtungsstudien wurden mit längerer Behandlungsdauer vermehrt hämatologische UAW, insbesondere Thrombopenien, beobachtet (11, 12). Aufgrund fehlender größerer klinischer Studien zur Behandlung der Osteomyelitis mit Linezolid und einer Behandlungsdauer, die in der Regel bei 6-8 Wochen liegt, gibt es auch keine sicheren Erkenntnisse zu UAW dieses Medikaments bei so langer Anwendung. Deshalb ist Osteomyelitis bisher keine zugelassene Indikation. Trotzdem gibt es bestimmte Patienten, bei denen nach Risikoabwägung und bei fehlenden Alternativen die Indikation zur Behandlung einer Osteomyelitis mit Linezolid durch den Experten gestellt werden kann. In diesem Fall sollten wöchentliche Kontrollen von Blutbild, Leberwerten und Kreatinin erfolgen. <<

Literatur

  1. Eich, G., und Krähenbühl, St.: Schweiz. Med. Forum 2002, 3, 53.
  2. Lovering, A.M., et al.: J. Antimicrobial Chemother. 2002, 50, 73.
  3. Österreichische Apothekerzeitung Aktuelle Ausgabe 7/2002.
  4. Darouiche, R.O.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 1422.
  5. Vogel, F., et al.: Chemother. J. 2004, 13, 46.
  6. Gee, T., et al.: Antimicrob. Agents Chemother. 2001, 45, 1843.
  7. Lipsky, B.A., et al.: Clin. Infect. Dis. 2004, 38, 17.
  8. Rayner, C.R., et al.: Infection 2004, 32, 8.
  9. Melzer, M., et al.: Clin. Infect. Dis. 2000, 31, 208.
  10. Till, M., et al.: Clin. Infect. Dis. 2002, 34, 1412.
  11. Norrby, R.: Exp. Opin. Pharmacother. 2001, 2, 293.
  12. Green, S.L., et al.: JAMA 2001, 285, 1291.