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Stressmanagement als Therapie der Koronaren Herzkrankheit

Der Einfluss von Stress bei der Entstehung von Krankheiten ist inzwischen an Hand epidemiologischer und grundlagenwissenschaftlicher Daten allgemein anerkannt (1). Insbesondere psychosoziale Faktoren („Stressoren”) haben hier eine große Bedeutung. Speziell das Herz-Kreislauf-System ist für Stresseinflüsse anfällig. Nach den Ergebnissen der INTERHEART-Studie können psychosoziale Stressoren („mentaler Stress”) für etwa 35% des Gesamtrisikos für einen Myokardinfarkt verantwortlich gemacht werden (2).

In den letzten 20 Jahren wurden verschiedene Strategien entwickelt, um den negativen Einfluss von Stress auf die kardiovaskuläre Gesundheit zu verringern, d.h. den Stress sinnvoll zu bewältigen. Diese Maßnahmen werden heute unter dem Begriff „Stressmanagement” zusammengefasst. Leider gibt es aber keine einheitliche Definition, die genau beschreibt, was unter einem medizinischen Stressmanagement zu verstehen ist. Häufig werden darunter kognitiv-behaviorale Techniken (CBT), Entspannungsverfahren, Ernährungs- und andere erzieherische „Tipps”, soziale Netzwerkbildung und auch bewegungstherapeutische Ansätze subsumiert. Bisher wurden auch keine guten Studien zur Bedeutung einzelner Komponenten veröffentlicht. Eine solche Arbeit wurde nun von James Blumenthal et al. von der amerikanischen Duke-Universität vorgelegt (3). In diese randomisierte, kontrollierte Studie wurden 134 Patienten (92 männlich, 42 weiblich, Alter 40-84 Jahre) mit stabiler koronarer Herzkrankheit und belastungsinduzierter Koronarischämie eingeschlossen. Im Interventionszeitraum von 16 Wochen erhielt Gruppe 1 ausschließlich die kardiologische Standardversorgung, Gruppe 2 zusätzlich ein aerobes Bewegungstraining über dreimal 35 Minuten/Woche und Gruppe 3 ein Stressmanagement-Programm (Entspannungstechniken, CBT, Gruppenunterstützung) über 90 Minuten/Woche. Endpunkte waren der psychologische Status, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), kardiale Wandbewegungsstörungen (WBS) im mentalen Stresstest (öffentliches Vorsprechen), die Funktion des Gefäßendothels (FML) und die autonome kardiale Funktion, die mittels Herzfrequenz-Variabilität (HRV) und Barorezeptor-Sensitivität (BRS) erfasst wurde.

Bei den Patienten der Bewegungs- und der Stressmanagement-Gruppe waren am Ende der Studie Depressivität und empfundener Dysstress signifikant reduziert (jeweils p = 0,02 gegenüber Gruppe 1). Im mentalen Stresstest zeigten sowohl die Bewegungsgruppe als auch die Stressmanagement-Gruppe einen vergleichbaren und gegenüber Gruppe 1 signifikant geringeren Abfall der LVEF (p = 0,03); ebenso waren die Scores für WBS verringert (p = 0,02). Patienten der Bewegungs- und der Stressmanagement-Gruppe zeigten signifikante Verbesserungen der Endothelfunktion. Darüber hinaus fanden sich bei Patienten der Stressmanagement-Gruppe signifikante Verbesserungen der autonomen kardialen Funktion gegenüber der Standardbehandlung (BRS: p = 0,02; HRV: p = 0,04). Die Autoren folgern, dass sowohl das Bewegungstraining nach den Vorgaben der American Heart Association, als auch Stressmanagement in der Lage sind, das psychische Befinden und verschiedene bedeutsame kardiale Risiko- und Funktionsmarker in kurzer Zeit zu bessern.

Bereits 1997 konnte die Arbeitsgruppe um Blumenthal durch Stressmanagement-Training bzw. Bewegungstherapie eine deutliche Reduktion kardialer Ereignisse in einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren bei Patienten mit stress-/belastungsinduzierter kardialer Ischämie zeigen (4). Die damalige Studie war jedoch wegen ihres experimentellen Designs und einer nicht randomisierten Kontroll-Gruppe zu Recht kritisiert worden. Mit der jetzigen Studie wurden die Ergebnisse aber bestätigt. Auch war nun eine klare Abgrenzung der Programme gegeneinander und gegenüber der Standardbehandlung gegeben.

Bei genauer Betrachtung der Daten ist darüber hinaus bemerkenswert, dass das Stressmanagement-Programm bei vielen erhobenen Markern dem reinen Bewegungsprogramm tendenziell überlegen zu sein scheint (nicht jedoch bei der körperlichen Fitness). Ein interessantes Nebenergebnis ist weiterhin, dass Patienten, bei denen initial unter mentalem Stress kardiale Wandbewegungsstörungen nachweisbar waren, besonders stark von den Interventionen profitierten und auch hier das Stressmanagement-Training tendenziell wirksamer erscheint als das reine Bewegungsprogramm. Dieses Ergebnis deckt sich mit Beobachtungen anderer Arbeitsgruppen, die kardiale Wandbewegungsstörungen als einen sensiblen Marker der stressinduzierten Ischämie (besonders unter mentalem Stress) bzw. einer allgemeinen „Stresssensibilität” herausstellen. In diesem Zusammenhang sind neuerdings auch mehrfach Befunde über linksventrikuläres myokardiales Stunning (Apical-Ballooning-Syndrom oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie; besonders häufig in Japan beschrieben) im Zusammenhang mit starker emotionaler Belastung publiziert worden (5). Insgesamt werden in der vorliegenden Arbeit auch die bekannten positiven Einflüsse körperlicher Aktivität auf die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bestätigt.

Fazit: Die Studie zeigt, dass Stressmanagement und körperliche Aktivität sich kardial positiv auswirken. Sie sind damit wichtige Bausteine für die wissenschaftliche Basis der Prävention und Rehabilitation in der Kardiologie. Zu kritisieren ist, dass durch rigorose Ausschlusskriterien reale Bedingungen nicht in vollem Umfang erfasst wurden. Auch sind die Gruppen relativ klein. Wichtig wäre nun, die Wirkungen dieser Therapieansätze prognostisch langfristig zu untersuchen, die auch die Kombination von Stressmanagement plus Bewegungstherapie einschließt, auch vor dem Hintergrund, dass einige moderne Stressmanagement-Techniken eine gesteigerte körperliche Aktivität als feste Säule integrieren. Ob sich für diese nichtmedikamentösen Therapieansätze allerdings Sponsoren finden, ist zu bezweifeln.

Literatur

  1. Esch, T.: Gesundheitswesen 2002, 64, 73.
  2. Rosengren, A., et al. (INTERHEART study): Lancet 2004, 364, 953.
  3. Blumenthal, J.A., et al.: JAMA 2005, 293, 1626.
  4. Blumenthal, J.A., et al.: Arch. Intern. Med. 1997, 157, 2213.
  5. Wittstein, I.S., et al.: N. Engl. J. Med. 2005, 352, 539.