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Leserbrief: Schwindel und Synkopen nach Anwendung von 0,5%igen Timolol-Augentropfen

Frage von Prof. Dr. A.H. aus London: >> Ich beziehe mich auf den Artikel in der September-Nummer des ARZNEIMITTELBRIEFS zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von Timolol-Augentropfen (1). Sollten Timolol-Augentropfen 0,5% für die Glaukomtherapie überhaupt zur Verfügung stehen oder ist die Nebenwirkungsrate zu hoch? <<

Antwort: >> Timolol ist ein seit Jahrzehnten zur Glaukomtherapie verwendeter Betablocker und dominiert in Deutschland seit vielen Jahren die Behandlung. In Augentropfen ist Timolol in Konzentrationen von 0,1%, 0,25% und 0,5% erhältlich.

Die primäre Behandlung eines neu diagnostizierten Glaukoms erfolgt üblicherweise mit einem Beta-Blocker, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Als Standard gilt dabei Timolol. Zunächst muss eine Senkung des intraokularen Drucks mit einer Timolol-Lösung geringer Konzentration (0,1% oder 0,25%) versucht werden. In der Fachinformation steht etwas weich formuliert: „Wird in der Regel mit zweimal tgl. 1 Tropfen Timolol 0,1% begonnen”. Bei unzureichender Senkung wird dann auf 0,5%iges Timolol umgestellt. Klinische Erfahrungen zeigen, dass mit der höheren Konzentration der Augeninnendruck weiter gesenkt werden kann.

Studien, die nach heutigen Standards zum Wirksamkeitsvergleich der 0,25%igen und der 0,5%igen Timolol-Lösung durchgeführt wurden, sind nicht verfügbar. In der Literatur finden sich wenige Publikationen zu dieser Thematik, deren Aussagewert begrenzt ist (2). Timolol wurde in Deutschland im Rahmen der so genannten Nachzulassung erneut bewertet. Die hierzu vorgelegten Unterlagen ließen den Schluss einer stärkeren Wirksamkeit der 0,5%igen im Vergleich zur 0,25%igen Lösung zu.

Eine höhere Rate von UAW der 0,5%igen Timolol-Lösung im Vergleich zur 0,25%igen Lösung erscheint plausibel, da von einer höheren systemischen Verfügbarkeit des Betablockers ausgegangen werden kann. Genaue Daten hierzu fehlen allerdings. In Anbetracht dieser unsicheren Datenlage halten wir bei höheren Dosierungen von Timolol-Augentropfen EKG-Kontrollen unter Beachtung der Herzfrequenz und der PQ-Zeit alle zwei Monate während des ersten Jahres der Therapie für sinnvoll.

Neuere Formulierungen mit Timolol 0,1% in Gelform scheinen durch den Zusatz von Carbomer und Polyvinylalkohol eine längere und stärkere lokale Wirksamkeit zu haben. Die einmal tägliche Applikation dieser Gele ist verschiedenen Untersuchungen zufolge ebenso wirksam wie die zweimal tägliche Applikation 0,5%iger Timolol-Augentropfen (3-5). Die Timolol-Plasmakonzentration war unter Therapie mit dem 0,1%igem Timolol-Gel geringer als nach Gabe der 0,5%igen Timolol-Augentropfen; ebenso zeigten sich geringere Effekte auf die Herzfrequenz (3-6). Die klinische Relevanz dieser Befunde ist aber unklar, da nicht über eine erhöhte Rate klinisch relevanter UAW berichtet wurde. Unterschiede in der Beeinflussung der Lungenfunktion konnten nicht nachgewiesen werden. Bei ungenügendem Effekt wird mit einem weiteren Wirkstoff kombiniert, z.B. lokal angewendeten Karboanhydrase-Hemmern oder Prostaglandinanaloga unter Beibehaltung der 0,5%igen Timolol-Lösung. Dieses grundsätzliche therapeutische Vorgehen dürfte der Grund dafür sein, dass neuere Wirkstoffe wie Latanoprost und Travoprost in Kombinationspräparaten nur mit 0,5%iger und nicht mit 0,25%iger Timolol-Lösung zur Verfügung stehen. Bei diesen Kombinationspräparaten muss also mit UAW wie bei hohen Timolol-Konzentrationen gerechnet werden. Sie dürfen nur mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen (s.o.) angewandt werden. <<

Literatur

  1. AMB 2006, 40, 71a. Link zur Quelle
  2. Mills, K.B.: Br. J. Ophthalmol. 1983, 67, 216. Link zur Quelle
  3. Rouland, J.F., et al.: Ophthalmologica 2002, 216, 449. Link zur Quelle
  4. Uusitalo, H., et al.: Acta Ophthalmol. Scand. 2005, 83, 723. Link zur Quelle
  5. Uusitalo, H., et al.: Graefes Arch. Clin. Exp. Ophthalmol. 2006, 244, 1491. Link zur Quelle
  6. Nino, J., et al.: Clin. Physiol. Funct. Imaging 2002, 22, 271. Link zur Quelle