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Schleichwerbung für teure Medikamente in „wissenschaftlichen” medizinischen Zeitschriften (hier Glitazone und Eplerenon)

Zeitschriften, die Pharma-Anzeigen drucken, sind bei der Annahme oder Ablehnung kritischer Beiträge zur Pharmakotherapie nicht völlig frei. Sehr einseitige Artikel mit „Promotion-Charakter” lehnen gute Zeitschriften mit peer review gewöhnlich ab. In leichteren Fällen hilft ein kritisches „Editorial” oder ein Kommentar, in dem ein hoffentlich unabhängiger Autor versucht, einseitige Aussagen in einem Hauptartikel zu korrigieren. Wir referieren deshalb, wenn möglich, nach der Darstellung einer Originalveröffentlichung zur Pharmakotherapie auch die Meinung der Kommentatoren.

Zur Zeit werden Glitazone zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus massiv beworben. Im AMB haben wir kürzlich die PROactive- (1) und die DREAM-Studie (2) besprochen, in denen positive Effekte von Glitazonen herausgestrichen und negative relativiert wurden. In beiden Fällen haben Kommentatoren aus unserer Sicht zur Objektivierung des Erkenntnisstands beigetragen.

Kürzlich erreichte uns die Leserzuschrift eines Berliner Kollegen, der uns auf ein „Thesenpapier” zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Glitazonen in der Zeitschrift „Diabetes, Stoffwechsel und Herz” hinweist (3). Die 12 deutschen Autoren sind überwiegend Universitäts-Kardiologen, die an großen, von Glitazon-Herstellern gesponserten Studien beteiligt waren, die ihre Verbindungen mit der Pharmaindustrie, wie es heute allgemein üblich ist, aber nicht offen legen. In 10 Thesen wird versucht, den Leser mit vielen Fakten, Behauptungen und 74 Literaturzitaten bzw. Firmen-Fachinformationen für den Einsatz von Glitazonen zu motivieren. Die wichtigsten beworbenen Effekte der Glitazone wurden in unseren Referaten (1, 2) besprochen und in ein realistischeres Licht gerückt. Im Wesentlichen geht es darum, dass Glitazone keinen klaren Vorteil gegenüber dem wesentlich billigeren Metformin in der Ersttherapie des Diabetes mellitus Typ 2b erkennen lassen (vgl. 4). Eine durchschnittliche Tagesdosis von Metformin kostet 25 bis 30 Cent, während 30 mg Pioglitazon ca. 2 EUR und 4 bzw. 8 mg Rosiglitazon ca. 1,30 bzw. ca. 2 EUR kosten. Zwar ist die erwähnte Veröffentlichung als Thesenpapier gekennzeichnet, jedoch handelt es sich eindeutig um Werbung für Produkte, die einseitig zugunsten anderer Medikamente aufgewertet werden sollen.

Andere Beispiele für Schleichwerbung finden sich in der Münchener Medizinischen Wochenschrift (5) und in der neuen Zeitschrift „Berlin Medical” (6), die unter anderem das offizielle Organ der Berliner Medizinischen Gesellschaft e.V. ist. Vermutlich auf Betreiben der Firma Pfizer wird hier unter den Überschriften „Pharmaforum” bzw. „Für Sie referiert” das neu eingeführte Antimineralokortikoid Eplerenon für den Einsatz bei Herzinsuffizienz nach Herzinfarkt beworben. Über die der Werbung zugrunde liegende EPHESUS-Studie haben wir im AMB berichtet (7). Eplerenon ist ein Analogon von Spironolacton mit deutlich abgeschwächten unerwünschten (gestagenen und antiandrogenen) Wirkungen. Allerdings ist auch die mineralokortikoide Potenz geringer (in vitro sehr gering, klinisch ca. 50% der Wirkung von Spironolacton). In der EPHESUS-Studie wurden Postinfarkt-Patienten mit verminderter linksventrikulärer Ejektionsfraktion mit 25-50 mg/d Eplerenon behandelt. Nach im Mittel 16 Monaten waren in der Plazebo-Gruppe 16,7%, in der Eplerenon-Gruppe 14,4% der Patienten gestorben, in erster Linie wegen weniger Fällen von Plötzlichem Herztod, was mit einer geringeren Inzidenz von Hypokaliämien zu erklären sein dürfte. Gefährliche Hyperkaliämien waren aber unter Eplerenon häufiger (7). In den erwähnten Referaten hätte zumindest erwähnt werden müssen, dass das wesentlich billigere Spironolacton, dokumentiert in der von uns referierten RALES-Studie (8), bei Herzinsuffizienz einen mindestens ebenso günstigen Effekt auf das Überleben hat. Da in dieser Studie nur 25 mg/d Spironolacton gegeben werden musste, waren die UAW bei den überwiegend älteren Männern (Mastodynie, Gynäkomastie, relevante Potenzstörungen) mit ca. 10% der Behandelten eher selten aufgetreten. 25 mg Spironolacton kosten ca. 15 Cent pro Tag, 50 mg Eplerenon (Inspra®) 2,82 EUR. Damit ist natürlich Spironolacton das Mittel der Wahl, das bei Auftreten bestimmter UAW durch Eplerenon ersetzt werden kann.

Fazit: Die Herausgeber einer Zeitschrift, die sich der Wissenschaftlichkeit verpflichtet fühlen, sollten Werbung der hier besprochenen Art nicht zulassen oder sie zumindest durch einen Kommentar eines unabhängigen Autors relativieren. Viel beschäftigte praktisch tätige Ärzte haben selten ausreichend Zeit, um sich über den Wahrheitswert „für sie referierter” Statements zu informieren und sich gegen die gewollte Gehirnwäsche zur Wehr zu setzen.

Literatur

  1. AMB 2005, 39, 93b. Link zur Quelle
  2. AMB 2006, 40, 93b. Link zur Quelle
  3. Daikeler, R., et al.: Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2006, 15, 94.
  4. AMB 2007, 41, 13a. Link zur Quelle
  5. MMW – Fortschr. Med. 2007, 149, Nr. 3, S. 50.
  6. Berlin Medical 2006, 3, Nr. 5+6, S. 37.
  7. AMB 2003, 37, 35. Link zur Quelle
  8. AMB 1999, 33, 83. Link zur Quelle