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Besser spät als nie – Lancet zieht Studie zu MMR-Impfung und Autismus zurück

Die britische Fachzeitschrift The Lancet hat eine vor zwölf Jahren veröffentlichte Publikation von Wakefield et al. zurückgezogen, durch die ein Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem Dreifachimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff) und Autismus hergestellt wurde (1). Basierend auf den Untersuchungsergebnissen von zwölf Kindern wurde in der Publikation dargestellt, dass bei acht von ihnen Verhaltensauffälligkeiten nach einer MMR-Impfung begonnen hätten (2). In der Folge nahmen die Impfungen insbesondere in Großbritannien deutlich ab und die Erkrankungen an Masern stiegen an (3).

Ein Journalist der britischen Tageszeitung „The Sunday Times”, Brian Deer, hatte im Jahr 2004 verschiedene Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit dieser Studie aufgedeckt. Er fand u.a. heraus, dass Ärzte und Wissenschaftler, die sich gegen den Dreifachimpfstoff aussprachen, insgesamt fast 3,5 Millionen britische Pfund für Beratertätigkeiten, Gutachten und Forschungsaufträge erhalten hatten. Gezahlt wurde das Geld über eine Anwaltskanzlei, die eine Schadensersatz-Klage gegen die Hersteller des Impfstoffs plante. Wir haben über die Vorgänge ausführlich berichtet (4). Die Mehrzahl der Autoren hatte sich nach Bekanntwerden dieser Hintergründe von der Interpretation der Studie distanziert (5). Die Herausgeber des Lancet räumten jedoch lediglich das Verschweigen von Interessenkonflikten ein und hielten andere Vorwürfe, wie z.B. die fehlende Zustimmung einer Ethikkommission, für nicht gerechtfertigt (6). Ein kausaler Zusammenhang zwischen MMR-Impfung und Autismus gilt inzwischen als sehr unwahrscheinlich (7). Nun haben die Herausgeber des Lancet die Publikation zurückgezogen. Zur Begründung wird angegeben, dass die Arbeit erhebliche Fehler enthalte und die Untersuchungen der Kinder nicht durch die zuständige Ethikkommission genehmigt worden seien. Damit folgen sie einer Untersuchungskommission der britischen Ärztekammer (General Medical Council), die nur fünf Tage vorher geurteilt hatte, dass Wakefield unethische Forschungsmethoden angewendet und die Ergebnisse auf unverantwortliche Weise präsentiert habe (8). So gilt es als erwiesen, dass Wakefield Kindern auf der Geburtstagsfeier seines Sohnes Blut abgenommen und ihnen dafür fünf britische Pfund gezahlt hat, womit er sich später brüstete.

Fazit: Endlich hat der Lancet eine Publikation offiziell zurückgezogen, in der ein Zusammenhang zwischen MMR-Impfung und Autismus hergestellt worden war. Bereits seit sechs Jahren sind Belege dafür bekannt, dass die Impfung gezielt in Misskredit gebracht wurde. Die Rücknahme der Publikation war längst überfällig (9) und erinnert Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften an ihre Verantwortung.

Literatur

  1. The editors of The Lancet: Lancet 2010, 375, 445. Link zur Quelle
  2. Wakefield, A., et al.: Lancet 1998, 351, 637. Link zur Quelle
  3. Deer, B.: (Zuletzt geprüft am 19.2.2010). Link zur Quelle
  4. AMB 2007, 41, 29. Link zur Quelle
  5. Murch, S. H., et al.: Lancet 2004, 363, 750. Link zur Quelle
  6. Horton, R.: Lancet 2004, 363, 820. Link zur Quelle
  7. Institute of Medicine of the National Academies 2004: (Zuletzt geprüft am 18.2.2010). Link zur Quelle
  8. General Medical Council 2010: (Zuletzt geprüft am 19.2.2010). Link zur Quelle
  9. Greenhalgh, T.: BMJ 2010, 340, c644. Link zur Quelle