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Vitamin-A-Supplementation für alle Kinder in der Dritten Welt?

In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen sollten alle Kinder eine Nahrungsergänzung mit Vitamin A bekommen. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich im British Medical Journal publizierte Metaanalyse (1). Die Evidenz sei so eindeutig, dass weitere Studien zu dieser Frage „unethisch” wären, so die britischen und pakistanischen Autoren, die in ihrer Arbeit von Entscheidungsträgern die rasche Umsetzung entsprechender Maßnahmen fordern. Ein Editorial in derselben Ausgabe des BMJ schließt sich dieser Auffassung an (2).

Das fettlösliche Vitamin A (Retinoide: Retinal, Retinol, Retinsäure, Retinylpalmitat) wird entweder direkt über die Nahrung aufgenommen (Leber, Milch- und Eiprodukte) oder aus Karotinen (Karotten, Kohlarten) synthetisiert. Mangel führt zu einer Hypovitaminose mit folgenden Symptomen: erhöhte Infektionsanfälligkeit und -letalität (bei Kindern insbesondere respiratorische Infekte, Durchfallerkrankungen, Masern), Beeinträchtigung des Sehens (Nachtblindheit), des Tastsinns und des Appetits, Haut- und Augentrockenheit, Brüchigkeit von Haut, Haaren und Nägeln, Müdigkeit, Störungen des Knochenwachstums im Kindesalter. Aufgrund des erhöhten Bedarfs sind Kinder besonders anfällig. Die WHO schätzt, dass weltweit 190 Mio. Kinder in der Altersgruppe bis fünf Jahre unter einer Vitamin-A-Defizienz leiden.

Die vorliegende Metaanalyse (1) erfasste 43 Studien zur Vitamin-A-Supplementation mit mehr als 200.000 Kindern im Alter von fünf Monaten bis sechs Jahren. Überwiegend wurde die von der WHO empfohlene Einmaldosis von 100.000 IE für Kinder im ersten Lebensjahr bzw. 200.000 IE für Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren untersucht, zum Teil aber auch höhere Dosen (Wiederholung nach sechs Monaten) oder niedrigere (Dosierungsintervall länger als sechs Monate). Unterschiede in Design und Qualität der Studien wurden berücksichtigt, um einen möglichen Bias zu minimieren. In 37 der 43 Studien wurde die Vitamin-A-Supplementation gegen Plazebo untersucht.

Die Vitamin-A-Supplementation reduzierte die Gesamtletalität um 24% (RR: 0,76; CI: 0,69-0,83) in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Die Autoren postulieren, dass Letalität und Behinderungen zu einem großen Teil indirekt über die Prävention von Infektionen gesenkt werden (15% Reduktion der Inzidenz von Diarrhö, 50% Reduktion der Inzidenz von Masern). Die Forscher errechnen, dass durch eine adäquate Vitamin-A-Zufuhr jährlich die Leben von 600.000 Kindern gerettet und 20 Mio. „disability-adjusted” Lebensjahre (ein Maß für Lebensquantität und -qualität) gewonnen werden könnten.

Fazit: Eine Metaanalyse bestätigt die hohe Wirksamkeit einer Vitamin-A-Supplementation (z.B. wie von der WHO empfohlen: Einmalgabe von 100.000 IE für Kinder im ersten Lebensjahr; 200.000 IE für Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren) auf Letalität und Morbidität bei Kindern in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Dies unterstreicht unseres Erachtens die generelle Bedeutung einer ausreichenden Vitamin-A-Zufuhr im Kindesalter. Wünschenswerter als eine flächendeckende Verteilung von Vitamin-A-Präparaten wären aber eine nachhaltige Verbesserung sozioökonomischer Verhältnisse und Bildungsmaßnahmen, um die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und eine ausgewogene Ernährung für alle zu gewährleisten, sowie eine konsequente Umsetzung von Impfprogrammen.

Literatur

  1. Mayo-Wilson, E., et al.:BMJ 2011, 343,d5094. Link zur Quelle
  2. Thorne-Lyman, A., undFawzi, W.W.: BMJ2011, 343, d5294. Link zur Quelle