Die Beziehung zwischen Klinikärzten und Hausärzten ist schwierig, und man wird das Gefühl nicht los, dass die bestehende Kluft immer größer wird. Beide kümmern sich zwar um den gleichen Patienten, doch der Blickwinkel ist sehr unterschiedlich: bei den fachärztlich tätigen Klinikärzten eng, bei den Hausärzten weit.
Klinikärzte konzentrieren sich meist auf die Krankheiten und die detaillierte fachliche Umsetzung von Diagnose- und Behandlungsstrategien. Hausärzte kennen dagegen den gesamten gesundheitlichen und sozialen Kontext und die Therapietreue des Patienten und können viel besser beurteilen, ob die fachärztlich vorgeschlagenen Strategien überhaupt umzusetzen sind.
Eigentlich könnten beide wunderbar voneinander lernen und das beste Konzept für den individuellen Patienten schmieden. Doch dies ist in unserem Gesundheitssystem nicht vorgesehen. Selten wird überhaupt miteinander geredet, noch seltener auf gleicher Augenhöhe. Meist beschränken sich die Kontakte auf einseitige Fortbildungsabende und wenige Telefonate. Persönliche Patientenübergaben sind die Ausnahme, Arztbriefe kommen zu spät und sind mitunter wenig klärend. Wird im Krankenhaus die Medikation umgestellt, tut sich der Hausarzt sehr schwer, dies wieder rückgängig zu machen, slebst wenn es sich nur um die Umsetzung eines Originalpräparats auf ein Generikum handelt. Die Patienten oder ihre Angehörigen zweifeln womöglich an der Kompetenz des Hausarztes.
Bei einem 78-jährigen Herrn mit Dyspnoe wurde eine höhergradige Aortenstenose diagnostiziert. Nach Einweisung in die Klinik wird er wegen einiger Komorbiditäten für einen transkutanen Aortenklappenersatz (TAVI) stratifiziert, eine Technik, die derzeit in ihrer Häufigkeit geradezu explodiert. Ein Stationsarzt erklärt dem Patienten, dass er ohne diesen Eingriff bald stürbe. Diesem Argument kann er sich natürlich kaum entziehen, und so stimmt er mit viel Skrupel dem Eingriff zu. Der Tochter teilt er jedoch seine großen Bedenken mit. Diese kontaktiert den Hausarzt, der von all dem noch gar nichts weiß. Nach Rücksprache mit den Klinikärzten und eingehender Diskussion der Symptomatik und der Lebensumstände wird die Dringlichkeit des Eingriffs relativiert. Zur großen Erleichterung des Patienten entscheidet man sich nun gemeinsam für ein „watchfull waiting”.
An diesem Beispiel wird klar, dass von solchen innerärztlichen Kommunikationsstörungen und der schlecht funktionierenden Schnittstelle zwischen „intra- und extramuralem” Bereich letztlich allein die Medizingeräte- und die pharmazeutische Industrie profitiert. Starke Fach- und Klinikärzte und schwache Hausärzte garantieren den vermehrten Verkauf neuer Implantate, MRI-Geräte oder teurer Arzneimittel.
Da wir aber in erster Linie unseren Patienten und nicht der Industrie verpflichtet sind, sollten Klinik- und Fachärzte viel mehr gemeinsame Sache mit den Hausärzten machen. Hausärzte müssen nicht nur verbal, sondern auch administrativ, akademisch und ökonomisch gestärkt werden. So sollten Allgemeinmediziner auch bei der Erstellung jeder neuen Leitlinie von einer Fachdisziplin hinzugezogen werden. Vielen Fachdisziplinen, die fast monatlich neue Leitlinien produzieren, würde eine pragmatisch ordnende Hand gut tun – vermutlich auch dem gesamten Gesundheitswesen.