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Marburg-Virus: AVI-7288 als Beispiel einer Postexpositionsprophylaxe bei hämorrhagischen Viruserkrankungen

Wir hatten im Rahmen der Ebola-Epidemie in West-Afrika über die hämorrhagischen Fieber durch das Ebola-Virus und auch über das nahe verwandte Marburg-Virus berichtet (1). Bei der inzwischen abklingenden Ebola-Epidemie kamen nach WHO-Angaben bis heute wahrscheinlich > 11.000 Menschen ums Leben (2). Die Dunkelziffer ist hoch. Wir hatten auch darauf hingewiesen, dass US-amerikanische militärische Einrichtungen aus unterschiedlichen Gründen ein besonderes Interesse an der Entwicklung von Wirkstoffen gegen hämorrhagische Viren haben und dabei eng mit pharmazeutischen Unternehmern zusammenarbeiten. Jetzt wurden als ein Ergebnis dieser Kooperation Daten zu einem Wirkstoff (AVI-7288) veröffentlicht, mit dem die tödliche Marburg-Virus-Infektion nach experimenteller Exposition bei Affen verhindert werden kann. Parallel dazu wurde die Verträglichkeit dieses Wirkstoffs beim Menschen untersucht (4).

AVI-7288 gehört zu einer Gruppe von Anti-sense-RNS-Molekülen, die die m-RNS des Kernproteins beim Marburg-Virus blockieren können. In Vorversuchen hatte sich dieses Molekül als wirksam und damit aussichtsreich für eine Postexpositionsprophylaxe herausgestellt (3). In der aktuellen Studie (4) wurde die prophylaktische Wirksamkeit unterschiedlicher Dosen von AVI-7288 bei Makaken getestet. Für die Verträglichkeitsstudien am Menschen wurden die Dosierungen aus dem Tiermodell extrapoliert.

Die Tierexperimente wurden in einem Hochsicherheitslabor der US-amerikanischen Streitkräfte in Fort Detrick, Maryland, durchgeführt. Die Affen wurden mit der tödlichen Dosis von 1000 „Plaque-Forming-Units“ des Marburg-Virus s.c. infiziert und erhielten danach i.v. 14 Tage lang eine tägliche Infusion von AVI-7288 oder Plazebo. Die verabreichten Dosen waren wie folgt: 30 mg/kg KG (6 Tiere), 20 mg/kg KG (10 Tiere), 15 mg/kg KG (69 Tiere), 7,5 mg/kg KG (22 Tiere), 3,75 mg/kg KG (11 Tiere) bzw. Plazebo (36 Tiere). Der Endpunkt der Studie war der Tod der Tiere.

Das Überleben der Tiere war abhängig von der Dosis AVI-7288. In der Plazebo- und in der Gruppe mit 3,75 mg/kg AVI-7288 starben 100%. In der Gruppe mit 7,5 mg/kg waren es 87%, in der 15 mg/kg-Gruppe 59%, in der 20 mg/kg-Gruppe 30% und in der 30 mg/kg-Gruppe 0%. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um „gepoolte“ Daten aus mehreren Experimenten über einen längeren Zeitraum. Sie sind also nicht randomisiert und prospektiv.

Die Verträglichkeit von AVI-7288 beim Menschen wurde an 40 gesunden, freiwilligen Proband(inn)en (20 Frauen, 20 Männer) im Alter zwischen 18 und 50 Jahren geprüft. Sie erhielten 14 Tage lang einmal täglich eine Infusionen von AVI-7288 über 30 Minuten in den Dosierungen 1 mg, 4 mg, 8 mg, 12 mg und 16 mg/kg KG (n = 6/Gruppe) oder Plazebo (n = 10). Die Probanden wurden 42 Tage nachbeobachtet.

Ein Proband aus der 12 mg/kg-Gruppe musste am Tag 6 aus der Studie genommen werden, da sich die Albuminausscheidung im Urin (Albumin/Kreatinin) verdreifacht hatte. Am Tag 7 normalisierten sich die Werte wieder. Acht Probanden in den Verum-Gruppen (27%) und zwei in der Plazebo-Gruppe bekamen Kopfschmerzen. Es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet. Die mit verschiedenen mathematischen Modellen hochgerechnete protektive Dosis liegt beim Menschen zwischen 9,6 und 11 mg/kg KG.

Bei der Bewertung dieser Studie ist kritisch zu bedenken, dass der Schutz durch AVI-7288 nur in einem experimentellen Modell und nur direkt nach Exposition nachgewiesen wurde. Ein potenzieller Nutzen ist wohl zunächst hauptsächlich für Personen zu sehen, die Patienten mit Marburg-Virus-Infektion betreuen und für Mitarbeiter in Biowaffen-Laboren. Zu einem Fortschritt in der generellen Prophylaxe solcher Virusinfektionen in der realen Welt, wie z.B. beim Ebola-Ausbruch zuletzt in Westafrika, trägt dieses Tiermodell nur eingeschränkt bei.

Fazit: Die Substanz AVI-7288 ist bei Makaken wirksam als Prophylaxe direkt nach einer experimentellen Marburg-Virus-Infektion. Die bisher beim Menschen nur auf Sicherheit untersuchten Dosierungen – abgeleitet aus den bei Makaken prophylaktisch wirksamen Dosierungen – sind gut verträglich.

Literatur

  1. AMB 2014, 48, 67. Link zur Quelle
  2. WHO: Link zur Quelle
  3. Iversen, P.L.,et al.: Viruses 2012, 4, 2806. Link zur Quelle
  4. Heald,A.E., et al.: N. Engl. J. Med. 2015, 373, 339. Link zur Quelle