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Resistenzen bei Neisseria gonorrhoeae in Europa

Nach Schätzungen der WHO traten 2008 > 100 Mio. Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae auf; somit ist die Gonorrhö nach Chlamydien die zweithäufigste sexuell übertragene Infektion weltweit (1, 2). In Deutschland rechnete man mit 11-25 Erkrankten pro 100.000 Einwohner bzw. 10.000-20.000 Infektionen pro Jahr. Im Jahr 2000 gab es 2.000 gemeldete Fälle (3). Jedoch schätzte das Robert Koch-Institut die Dunkelziffer nicht gemeldeter Infektionen in den 1990er-Jahren auf 85% (4). Die Erfassung hat sich seither nicht verbessert, und man muss – wie in anderen Ländern auch – mit zunehmender Inzidenz rechnen.

Neisseria gonorrhoeae, ein gramnegativer Diplokokkus, wurde 1879 von dem Breslauer Dermatologen Albert Neisser entdeckt. Der Mensch ist der einzige Wirt; die Übertragung erfolgt durch direkten Schleimhautkontakt mit infektiösem Sekret. Die Erkrankung (Gonorrhö, Tripper) hinterlässt keine Immunität, so dass es auch keine Impfung gibt. Am häufigsten sind Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren betroffen, besonders auch homosexuelle Männer. Bei Männern tritt nach einer Inkubationszeit von 2-6 Tagen meist eine Urethritis auf (5). Typisch ist der eitrige morgendliche Ausfluss, der auch „Bonjour-Tropfen“ genannt wird. Im urethralen Abstrich sind die typischen Diplokokken mikroskopisch sichtbar. Durch Anzüchten und molekularbiologische Untersuchungen können die Resistenzen des Erregers bestimmt werden. In den letzten Jahrzehnten haben sich Resistenzen gegen die früher verwendeten Penicilline entwickelt (vgl. 6), und sie nehmen auch gegen die derzeit empfohlenen Antibiotika Cefixim, Ceftriaxon und Azithromycin zu (7, 8). Die Behandlung ist weltweit problematischer geworden (1, 2, 7). In Europa wurde deshalb ein Überwachungssystem eingerichtet, das European Gonococcal Antimicrobial Surveillance Programme (Euro-GASP; 8).

Die traditionellen Methoden zur Erfassung der Gonorrhö, speziell auch der Resistenzentwicklung, sind nicht optimal. Die Sequenzierung des Gesamtgenoms der Erreger ist besser geeignet, die Infektionsdynamik, d.h. Übertragungswege und Resistenzen, einzuschätzen. Nun hat Euro-GASP mit dieser Methodik Isolate aus Europa untersucht (8).

Methodik: Die Studie basiert auf 1.054 N. gonorrhoeae-Isolaten, die Euro-GASP zwischen September und November 2013 aus 20 europäischen Ländern erhalten hat. Die Isolate wurden mittels Gesamtgenom-Sequenzierung charakterisiert. Außerdem wurde eine Web-Plattform etabliert, die es erlaubt, Resistenzen vorauszusagen und phylogenetische mit epidemiologischen und phänotypischen Daten zu verknüpfen.

Ergebnisse: Mehrfach-Resistenzen waren am häufigsten mit der Genogruppe G1407 assoziiert und der häufigste Grund für Cephalosporin-Resistenzen. Die Prävalenz dieser genetischen Gruppe ging jedoch zurück von 248 (23%) von 1.066 Isolaten in Studien aus den Jahren 2009-2010 auf 174 (17%) von 1.054 Isolaten in der jetzt publizierten Studie aus dem Jahr 2013. In früheren Untersuchungen fand sich eine starke Assoziation dieser genetischen Gruppe mit homosexuellen Männern, in der aktuellen Untersuchung aber häufiger bei heterosexuellen Männern (Odds Ratio: 4,29). Stichproben aus Deutschland ergaben, dass fast die Hälfte der Neisserien gegen Ciprofloxacin resistent waren, aber nur ein sehr geringer Teil gegen Cefixim oder Azithromycin (s. Tab. 1). Insgesamt scheint die Gabe von Ceftriaxon Länder-übergreifend nach wie vor empfehlenswert (6).

Fazit: Aktuelle Daten aus Europa zeigen die Resistenzlage bei den Erregern der Gonorrhö. Sie bestätigen unsere frühere Einschätzung, dass die Behandlung mit Ceftriaxon derzeit (noch) gut wirksam ist.

Literatur

  1. World Health Organization. Global incidence and prevalence of selected curable sexually transmitted infections – 2008. Geneva; 2012. Link zur Quelle
  2. European Centre for Disease Prevention and Control. Sexually transmitted infections in Europe, 1990-2010. Stockholm; 2012. Link zur Quelle
  3. Marcus, U., et al.: Euro Surveill. 2001, 5, pii=2042. Link zur Quelle
  4. Gonorrhoe und Syphilis in Deutschland bis zum Jahr 2000. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts. 21. September 2001/Nr. 38, 287. Link zur Quelle
  5. Sherrard, J., und Barlow, D.: Genitourin. Med. 1996, 72, 422. Link zur Quelle Vgl. AMB 2007, 41, 41.
  6. WHO. Global action plan to control the spread and impact of antimicrobial resistance in Neisseria gonorrhoeae. 2012. Link zur Quelle
  7. European Centre for Disease Prevention and Control. Response plan to control and manage the threat of multidrug-resistant gonorrhoea in Europe. Juni 2012. Link zur Quelle
  8. Harris, S.R., et al. (Euro-GASP): Lancet Infect. Dis. 2018. Link zur Quelle

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