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Ist der Extrakt aus Weißdorn-Blüten oder -Blättern (Crataegus) doch wirksam bei Herzinsuffizienz?

Zu diesem Thema veröffentlichte M. Tauchert eine Arbeit im Am. Heart J. (1). Belastbarkeit (Fahrradergometrie) und subjektive Symptomatik wurden vor und 16 Wochen nach einer Behandlung mit 900 mg oder 1800 mg/d des standardisierten Extrakts im Vergleich zu Plazebo randomisiert, doppeltblind und multizentrisch untersucht. Als statistisch signifikantes Ergebnis wird dargestellt, daß die Belastbarkeit unter 1800 mg nach 16 Wochen im Vergleich zu Plazebo zunahm, nicht jedoch nach acht Wochen. Die Belastbarkeit unter 900 mg war nicht signifikant besser. Die subjektiven Symptome besserten sich auch signifikant sowohl unter 900 als auch unter 1800 mg/d.

Die Nebenwirkungsrate war sehr niedrig. Über Schwindel wurde sogar unter der aktiven Therapie seltener geklagt (etwa 3%) als unter Plazebo (10%). Es wird daher daran gedacht, Schwindelsymptomatik nicht als eine UAW, sondern als eine Indikation zur Behandlung zu betrachten.

Es gibt dazu mehrere kritische Anmerkungen:

1. Die Patienten durften außer dem Versuchspräparat und einem Diuretikum während der Behandlungsphase weder ACE-Hemmer noch Beta-Blocker noch Digitalis erhalten, Medikamente, die nachweislich wirksam sind und in allen Leitlinien empfohlen werden. Schon allein deswegen hätten unseres Erachtens eine Ethikkommission der Studie nicht zustimmen dürfen.

2. Echokardiographische Untersuchungen wurden nicht durchgeführt, weder um Art und Schweregrad der Erkrankung zu definieren, noch um die Wirksamkeit der Therapie zu quantifizieren. Damit fehlt das wichtigste Diagnostikum der Herzinsuffizienz. Es wurden dagegen die viel weicheren Endpunkte Belastbarkeit (ohne O2-Aufnahme!) und subjektive Symptomatik als Endpunkte genommen. Auf diese Weise kann es wegen der großen Streuung leichter zu zufälligen statistisch signifikanten Ergebnissen kommen.

3. Präzise Angaben zur Methodik der Randomisierung und Verblindung fehlen, und die Herstellerfirma unterstützte die Untersuchung, z.B. auch durch die statistische Auswertung der Untersuchungsergebnisse.

4. Schließlich stellen wir verwundert fest, daß eine englischsprachige Fachzeitschrift das Manuskript zur Veröffentlichung angenommen hat.

In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kreislaufforschung zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz sind Crataegus-Präparate erwähnt, aber nicht empfohlen. Trotzdem gibt es z.Z. eine neue, große, randomisierte Studie, in der 2300 Patienten mit Herzinsuffizienz untersucht werden sollen, die eine Standardtherapie erhalten und zusätzlich entweder Crataegus-Extrakt oder Plazebo. Endpunkte der Untersuchung sind Herztod, Herzinfarkt, Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz, Belastbarkeit, echokardiographische Parameter und Lebensqualität (2).

Fazit: Wenn die o.g. neue Studie ein überzeugend positives Ergebnis hat, müssen wir umdenken. Bis dahin können Crataegus-Präparate zur Behandlung der Herzinsuffizienz weiterhin nicht empfohlen werden.

Literatur

  1. Tauchert, M.: Am. Heart J. 2002, 143, 910.
  2. Holubarsch, C.J., et al. (SPICE = Survival and Prognosis: Investigation of Crataegus Extract WS 1442 in congestive heart failure): Eur. J. Heart Fail. 2002, 2, 431.