Diesem interessanten Thema sind eine Metaanalyse von A.L. D´Souza et al. aus London (Brit. Med. J. 2002, 324, 1361) und ein Editorial von F. Barbut und J.L. Meynard aus Paris (gleiches Heft S. 1345) gewidmet. 5-30% aller mit Antibiotika behandelten Patienten entwickeln mehr oder weniger schwere Diarrhöen (Antibiotika-assoziierte Diarrhö = AaD), die nach Beeinträchtigung der natürlichen Stuhlflora durch vermehrtes Wachstum pathogener Keime verursacht werden. Besonders gravierend ist die Pseudomembranöse Kolitis durch Clostridium difficile, die in ca. 20% das pathogene Agens ist. Diarrhöen treten häufig nach Einnahme von Aminopenicillinen (auch mit Clavulansäure), Cefalosporinen und Clindamycin auf, weniger häufig nach Verabreichung von Chinolonen, Co-Trimoxazol und Aminoglykosiden. Meist verschwinden die Diarrhöen bald nach Absetzen des Antibiotikums. Die Infektion mit C. difficile erfordert jedoch hygienische Maßnahmen und eine 10tägige orale Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin.
Es ist mehrfach versucht worden, einer AaD durch Komedikation mit Bakterien oder Hefen, die das Wachstum pathogener Keime unterdrücken können, vorzubeugen. In der Metaanalyse von D´Souza wurden 9 methodisch akzeptable plazebokontrollierte Studien ausgewertet. Je 4 dieser Studien betrafen den Einsatz von Saccharomyces boulardii (eine Hefe; s.a. AMB 1995, 29, 12 und 41) bzw. Laktobakterien, die als ”Probiotika” oder ”biotherapeutische Agenzien” (bA) bezeichnet werden. In den meisten Studien wurde als Antibiotikum Ampicillin verwendet, einmal Clindamycin, in anderen Studien Kombinationen. Die Behandlungsdauer mit Antibiotika war zwischen 5 und 49 Tagen im Mittel. Die Komedikation von bA erfolgte über den gleichen Zeitraum. Es handelte sich, wohlgemerkt, in allen Fällen um Prophylaxe-Studien.
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß sowohl S. boulardii als auch Laktobakterien als Prophylaktika wirksam sind. In beiden Fällen war die ”Odds ratio” von Erkrankungen in den Verum-Gruppen zwischen 0,34 und 0,39, d.h. auf 10 Fälle von AaD in den Plazebo-Gruppen (Antibiotikum plus Plazebo) entfielen nur 3 bis 4 Fälle in den Verum-Gruppen (Antibiotikum plus bA). Da die bA in der Regel billig sind, ist es wahrscheinlich, daß die Komedikation ”cost-effective” ist. Hierzu wird aber eine größere neue Studie vorgeschlagen. Die Autoren weisen darauf hin, daß über den therapeutischen Einsatz von bA (d.h. nach Eintreten der AaD) keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen.
In dem sehr informativen Kommentar der Pariser Kollegen werden die Ergebnisse ebenfalls als ermutigend bewertet. Noch wichtiger als die Komedikation von bA sei allerdings der sparsame und kritische Umgang mit Antibiotika generell. Dieser Meinung schließen wir uns an.
Fazit: Bei einem unbedingt erforderlichen Einsatz oraler Antibiotika, die erfahrungsgemäß häufig zu Diarrhöen führen (besonders Aminopenicilline oder Clindamycin), kann die Komedikation von biotherapeutischen Agenzien wie S. boulardii oder Laktobakterien offenbar die Inzidenz von Durchfallerkrankungen deutlich und signifikant reduzieren.