Die beste Prophylaxe der Grippe ist die jährliche Impfung vor einer zu erwartenden Epidemie. Außer einer symptomatischen ist aber auch eine antivirale Therapie möglich, für die zwei relativ neue Substanzen, Zanamivir und Oseltamivir zur Verfügung stehen (s.a. 1). Außer in Japan und in den USA haben sie aber bisher keinen Eingang in Therapie und Prophylaxe gefunden. Da diese Neuraminidase-Hemmer teurer sind als Impfstoffe, werden sie in der Prophylaxe letzteren wohl unterlegen bleiben. Weil die Grippe-Schutzimpfung jedoch nur einen Schutz um 70% gewährt, kann die Behandlung von Risikopatienten, die trotzdem an Influenza erkranken, oder von Nicht-Geimpften eine Ergänzung sein.
In dieser Hinsicht ist eine Meta-Analyse von Veröffentlichungen über die Wirksamkeit dieser Substanzen im Brit. Med. J. von Interesse (2). 17 Behandlungs- und 7 Prophylaxe-Studien, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllten, wurden ausgewertet. Über die Applikationsweise der Substanzen werden in diesem Review leider keine Angaben gemacht. In Deutschland ist Zanamivir als Inhalationspulver mit Diskhaler unter dem Namen Relenza auf dem Markt und soll bei Ausbruch der Grippe 5 Tage lang angewendet werden. Oseltamivir (Tamiflu) ist in Form von Hartkapseln oder als Pulver zur Herstellung einer Suspension (für Kinder) zur oralen Applikation (ebenfalls 5 Tage lang) erhältlich. Vermutlich wurden die Neuraminidase-Hemmer in den besprochenen Studien ebenfalls ca. 5 Tage lang angewendet. Die Ergebnisse zu Therapie und Prophylaxe (letzteres wohl nach Kontakt mit Erkrankten) wurden für drei Altersgruppen ermittelt: A = Kinder < 12 Jahre, B = Personen zwischen 12 und 65 Jahre und C = eine "High risk"-Gruppe > 65 Jahre.
Ergebnisse: Die Behandlung mit Zanamivir verkürzte die Krankheitsdauer (nach nicht ganz einheitlichen Kriterien bemessen) in den Altersgruppen A, B und C im Mittel um 1,0, 0,8 bzw. 0,9 Tage im Vergleich mit Plazebo. Durch Oseltamivir wurde die Krankheitsdauer in den selben Gruppen um im Mittel 0,9, 0,9 bzw. 0,4 Tage verkürzt. Bei prophylaktischer Anwendung der beiden Substanzen wurde die Wahrscheinlichkeit, an Influenza zu erkranken, im Vergleich mit Plazebo immerhin um 70-90% reduziert. Die Wirksamkeit ist also wahrscheinlich gleich gut wie oder besser als die der Grippeimpfung. Diese Prophylaxe hat aber eine andere Funktion als die Impfung, der grundsätzlich der Vorzug gegeben werden sollte. Wenig ist darüber bekannt, ob Neuraminidase-Hemmer schwere akute oder späte Komplikationen der Influenza, besonders bei alten Menschen, verhindern. Zwei weitere Arbeiten im Brit. Med. J. widmen sich diesem Thema. Ihre Titel spiegeln einige Reserviertheit wider. K. Stöhr von der WHO in Genf schreibt „Neuraminidase inhibitors are clinically effective but have limitations“ (3), und L. Hansen aus Edinburgh meint: „We need to determine who benefits most from flu treatments“ (4). Eine Packung für eine Fünf-Tage-Therapie kostet laut Roter Liste 29,74 EUR (Zanamivir) bzw. 34,70 EUR (Oseltamivir).
Fazit: Zwei prinzipiell zur Behandlung und zur Prophylaxe der Influenza A und B geeignete Neuraminidase-Hemmer (Zanamivir und Oseltamivir) können einer Meta-Analyse zufolge die Dauer einer Grippe um (nur) knapp einen Tag verkürzen. Nach einer Infektionsexposition prophylaktisch angewandt, scheinen sie die Wahrscheinlichkeit einer Grippe-Erkrankung – verglichen mit Plazebo – um 70-90% reduzieren zu können. Besonders für ältere Menschen sind sie keine Alternative zur Grippe-Schutzimpfung.
Literatur
- AMB 2000, 34, 3.
- Cooper, N.J., et al.: Brit. Med. J.: 2003, 326, 1235.
- Stöhr, K.: Brit. Med. J. 2003, 326, 1223.
- Hansen, L.: Brit. Med. J. 2003, 326, 1239.