Frage von Dr. S.-G.H. aus Koblenz: >> Innerhalb von drei Monaten sah ich bei zwei geriatrischen Patientinnen unter Citalopram (Cipramil u.a.) Blutungskomplikationen. Die erste Patientin erlitt infolge gastraler Ulzera einen Hb-Abfall unter 6 g/dl. Die andere Patientin klagte über vermehrte Hautblutungen und erlebte bei einem Hüftgelenkseingriff vermehrte Blutungsneigung und ein postoperatives Hämatom. In der Roten Liste 2003 sind entsprechende Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von < 0,1% als eher selten genannt. Sind Ihnen andere Zahlen bekannt, möglicherweise alters- und geschlechtsbezogen? <<
Antwort: >> Offenbar erhöhen alle Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) die Blutungsneigung. Dazu gibt es eine Fall/Kontroll-Studie aus Spanien (1). Von den Patienten mit Blutungen nahmen 3,1% SSRI, von den Kontrollen 1%. Die Autoren errechneten eine Blutungshäufigkeit von einem Fall auf 8000 Verordnungen.
In einer dänischen Arbeit zu diesem Thema (2) war die Blutungshäufigkeit ebenfalls dreimal höher als bei nicht mit SSRI behandelten Patienten. Die Arbeit stützte sich auf Krankenhaus-Behandlungs-Daten von 26005 Patienten, denen SSRI verordnet worden waren. 55 davon wurden wegen einer Blutung aufgenommen. Wenn zusätzlich zu den SSRI auch noch nicht-steroidale Antirheumatika verordnet worden waren, war das Risiko sogar zwölfmal höher. Auch in diesem Punkt stimmt die dänische Arbeit mit der spanischen überein. Antidepressiva ohne Wirkung auf den Serotonin-Rezeptor beeinflußten die Blutungshäufigkeit nicht.
In der Datenbank der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sind 440 Fallberichte eingegangen, bei denen der Verdacht auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nach Citalopram geäußert werden muß. Bei 7,3% (32) dieser Fälle ging es um Thrombozytenveränderungen und Gerinnungsstörungen. Wie häufig sind diese Gerinnungsstörungen? Nach dem Arzneiverordnungs-Report 2002 (3) wurden im Jahr 2001 insgesamt 8,9 Mio. Tagesdosen verordnet. Hätte ein Patient 100 Tagesdosen erhalten – wahrscheinlich sind es mehr – und würde jede 10. Störung gemeldet, käme ein Fall auf etwa 280 Patienten. In der Fachinformation zu Citalopram werden UAW dieser Art mit weniger als 0,1% angegeben. Vielleicht muß diese Häufigkeitsangabe bei der nächsten Auflage der Fachinformation überdacht werden. Es kann aber heute schon festgehalten werden: SSRI beeinträchtigen die Blutgerinnung klinisch bedeutsam. Sie sollten nicht gemeinsam mit Antikoagulanzien oder nicht-steroidalen Antirheumatika verordnet werden.<<
Literatur
- de Abajo, F.J., et al.: Brit. Med. J. 1999, 319, 1106.
- Dalton, S.O., et al.: Arch. Intern. Med. 2003, 163, 59.
- Arzneiverordnungs-Report 2002. Hrsg. U. Schwabe und D. Paffrath. Springer, Berlin, Heidelberg 2002.