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Adjuvante Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms: Randomisierte Studie zum Stellenwert der Dosis von Folinsäure sowie von Levamisol (QUASAR)

Große prospektive randomisierte Studien Anfang der 90er-Jahre haben bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III (Dukes C) die Überlegenheit einer systemischen Chemotherapie mit 5-Fluorouracil (5-FU) plus Levamisol (Ergamisol) oder Folinsäure (FS) gegenüber der ausschließlich chirurgischen Therapie überzeugend nachgewiesen (vgl. AMB 1995, 29, 53). Theoretische pharmakologische Aspekte und auch Ergebnisse aus Zellkulturen sprachen dabei für einen Nutzen von hochdosierter FS zur Modulation der 5-FU-Zytotoxizität. Randomisierte Studien bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom zeigten jedoch keinen Vorteil für die hochdosierte FS (1, 2). Die in der adjuvanten Therapie verwendeten Dosierungen der FS schwankten zwischen 20 mg/m2 und 500 mg/m2. Auf Grund des hohen Preises der FS (in Deutschland als Kalziumfolinat nur zugelassen als Antidot bei der Behandlung mit Methotrexat bzw. bei Folsäuremangel-Anämien) ergeben sich deshalb deutliche Unterschiede in den Therapiekosten. Die Kosten für das preiswerteste Kalziumfolinat nach Rote Liste 2000 für einen Patienten mit 2 m2 Körperoberfläche betragen bei 6 Zyklen „Mayo-Clinic“ 2580 DM und bei 4 Zyklen „Roswell Park“ 27456 DM).

Um offene Fragen hinsichtlich des Stellenwertes von Levamisol bzw. der Dosis der FS zu klären, führte eine kooperative Arbeitsgruppe in Großbritannien die QUASAR-Studie (QUick And Simple And Reliable) durch, deren Ergebnisse kürzlich im Lancet veröffentlicht wurden (3). Zwischen 1994 und 1997 wurden knapp 5000 Patienten mit RO-reseziertem kolorektalem Karzinom und ohne Kontraindikationen für eine Chemotherapie in einer Studie mit einem 2 x 2-faktoriellen Design in einem von vier Armen behandelt. Dabei wurde doppelblind die Wirksamkeit einerseits von 5-FU plus hochdosierter FS (175 mg i.v.) mit niedrigdosierter FS (25 mg i.v.) und andererseits von 5-FU plus hoch- bzw. niedrigdosierter FS plus Levamisol (50 mg p.o. 3 mal/d 3 Tage lang, wiederholt alle 2 Wochen für insgesamt 12 Zyklen) mit entsprechender Chemotherapie plus Plazebo verglichen. Die geplante 5-FU-Dosis lag in allen Behandlungsarmen bei 370 mg/m². Als Behandlung waren initial 6 Zyklen eines Bolus-Schemas (Tag 1-5) vorgesehen, das alle 4 Wochen wiederholt werden sollte (entspricht insgesamt 30 Gaben 5-FU plus FS). Da aus organisatorischen Gründen nicht in allen Zentren die Behandlung Montag bis Freitag möglich war, wurde alternativ ein Behandlungsschema mit der Applikation einmal pro Woche 30 Wochen lang bei Beibehaltung der Einzeldosis angeboten. 5-FU wurde in allen Behandlungsarmen als echter Bolus (d.h. in < 5 Min. i.v.) gegeben. Primärer Endpunkt der Studie war die Letalität (unabhängig von der Ursache). Die statistische Auswertung erfolgte nach dem "Intention-to-treat"-Prinzip. Insgesamt wurden 4927 Patienten aus 134 Zentren randomisiert (medianes Alter: 62 Jahre; 59% Männer; 68% Kolonkarzinom; 72% Stadium Dukes C, 28% Stadium Dukes B). Bei 42% der Patienten mit Rektumkarzinom erfolgte postoperativ eine Bestrahlung. Um die Dokumentation einfach zu halten, wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nicht systematisch abgefragt, sondern lediglich ernsthafte UAW telefonisch mitgeteilt. Krankheitsfreies und Gesamtüberleben waren in den Armen mit hoch- oder niedrigdosierter FS absolut identisch. Auch Subgruppen der Patienten mit kolorektalem Karzinom unterschieden sich nicht hinsichtlich dieser Parameter. Bei den UAW ergab sich nur für Stomatitis ein signifikanter Unterschied zu Ungunsten der hochdosierten FS (216 versus 158 Patienten). Auch die Auswertung bezüglich des Stellenwertes von Levamisol ergab keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien oder Gesamtüberleben mit Trend zum besseren Überleben im Plazebo-Arm. Ernsthafte dermatologische UAW traten im Levamisol-Arm signifikant häufiger auf (110 versus 63 Patienten). Insgesamt kam es im Rahmen dieser großen Studie nur zu 0,1% therapiebedingter Todesfälle. Fazit: Levamisol hat keinen Stellenwert mehr in der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms. Behandlungsschemata mit hochdosierter Folinsäure kombiniert mit Bolusgabe von 5-FU sind in der adjuvanten Therapie ebenfalls nicht mehr indiziert, da sie ohne einen Gewinn an Wirksamkeit signifikant toxischer und teurer sind. Das in den interdisziplinären Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft und ihrer Arbeitsgemeinschaften empfohlene „Mayo-Clinic-Schema“ ist somit derzeit die adjuvante Therapie der Wahl für das Kolonkarzinom im Stadium Dukes C (4). Für Patienten mit Rektumkarzinom im Stadium II und III wird außerhalb von Studien die postoperative Radio-/Chemotherapie empfohlen (4).

Literatur

1. Labianca, R., et al.: Ann. Oncol. 1997, 8, 169.
2. Jäger, E., et al.: J. Clin. Oncol. 1996, 14, 2274.
3. QUASAR Collaborative Group: Lancet 2000, 355, 1588.
4. Junginger, T., et al.: Onkologe 1999, 5, 348.