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Verschlechterung kognitiver Funktionen nach adjuvanter Hochdosis-Chemotherapie bei Patientinnen mit Mammakarzinom

Die häufigste Indikation für die Hochdosis-Chemotherapie gefolgt von der Retransfusion autologer hämatopoetischer Stammzellen ist derzeit die adjuvante Behandlung von prämenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom und hohem Risiko für ein Rezidiv. Die Wirksamkeit dieser aggressiven Therapiestrategie ist derzeit noch unbewiesen (vgl. AMB 1998, 32, 21a) und wird in zahlreichen randomisierten Studien weltweit untersucht. Sorgfältige Analysen akuter; insbesondere aber spät auftretender Nebenwirkungen (z.B. Neurotoxizität, Zweitneoplasien) sind bei adjuvanter Hochdosis-Chemotherapie des Mammakarzinoms von besonderer Bedeutung, da deren Ziel eine Verlängerung des Überlebens ohne Einschränkung der „Lebensqualität“ sein sollte. Eine kürzlich publizierte niederländische Studie untersuchte den Einfluß einer Hochdosis-Chemotherapie auf kognitive Funktionen bei Patientinnen mit Hochrisiko-Mammakarzinom (van Dam, F.S.A.M., et al.: J. Natl. Cancer lnst. 1998, 90, 210). Eingeschlossen wurden Frauen < 55 Jahre mit Stadium II oder III und = 4 befallenen axillären Lymphknoten. Verschiedene neuropsychologische Tests, ein Interview zu kognitiven Problemen im täglichen Leben und ein von der European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) entwickelter Fragebogen zur "Lebensqualität" wurden herangezogen, um kognitive Störungen und "Lebensqualität" bei 3 verschiedenen Patientengruppen (34 Patientinnen mit adjuvanter Hochdosis-Chemotherapie bei Hochrisiko-Mammakarzinom, 36 Patientinnen mit Standard-Chemotherapie bei Hochrisiko-Mammakarzinom, 34 unbehandelte Patientinnen mit Stadium I eines Mammakarzinoms) zu vergleichen. Im experimentellen Arm der Hochdosis-Chemotherapie erhielten die Patientinnen zunächst 4 Zyklen einer Chemotherapie mit FEC (5-Fluorouracil, Epidoxorubicin, Cyclophosphamid) und anschließend eine Hochdosis-Chemotherapie mit Cyclophosphamid, Thiotepa und Carboplatin sowie Retransfusion autologer hämatopoetischer Stammzellen. Die konventionelle Behandlung bestand aus 4 bis 5 Zyklen einer Chemotherapie mit FEC. In beiden Gruppen erfolgte anschließend eine adjuvante Strahlentherapie des lokoregionären Bereiches und Gabe von Tamoxifen über 2 Jahre. Die kognitiven Funktionen wurden im Median 1,6 bis 1,9 Jahre nach der letzten Therapie (Tamoxifen) in den beiden Chemotherapie-Gruppen und 2,4 Jahre nach Operation und Bestrahlung in der Kontroll-Gruppe ermittelt. Alle Patientinnen, welche die Hochdosis-Chemotherapie erhielten, und 34 von 36 Patientinnen im konventionellen Therapiearm waren als Folge des Einflusses der Zytostatika auf die ovarielle Funktion postmenopausal, wohingegen sich in der Kontrollgruppe 13 post- und 21 prämenopausale Patientinnen befanden. Über kognitive Probleme (Konzentration, Gedächtnis, Denken, Sprache), die während der Behandlung begannen, berichteten signifikant mehr Patientinnen im Hochdosis-Chemotherapie- bzw. konventionellen Therapiearm im Vergleich zur Kontroll-Gruppe. Hinsichtlich verschiedener funktioneller "Scores" (z.B. körperliche und soziale Funktionen betreffend) und der globalen "Lebensqualität" waren die Ergebnisse bei Patientinnen nach Hochdosis-Chemotherapie signifikant ungünstiger als bei Patientinnen mit konventioneller Therapie. Bei 32% der Patientinnen mit Hochdosis-Chemotherapie im Vergleich zu 17% mit konventioneller Chemotherapie und 9% in der Kontroll-Gruppe ergaben die neuropsychologischen Tests kognitive Störungen. Da die meisten Patientinnen nicht über entsprechende kognitive Störungen vor Beginn der jeweiligen Therapie berichteten, ist es nach Ansicht der Autoren dieser Studie sehr unwahrscheinlich, daß bereits vor Beginn der Behandlung bestehende kognitive Störungen diese Unterschiede erklären. Inwieweit unterschiedliche Östrogen-Konzentrationen in den beiden Chemotherapie-Armen bzw. in der Kontroll-Gruppe oder die Behandlung mit Tamoxifen die kognitiven Funktionen beeinflußt haben, bleibt jedoch unklar. Fazit: Eine Hochdosis-Chemotherapie führt bei Patientinnen mit Hochrisiko-Mammakarzinom zu einer Verschlechterung kognitiver Funktionen, die in dieser Studie etwa zwei Jahre nach der letzten Chemotherapie beobachtet wurde. Angesichts der negativen Auswirkungen zentralnervöser Spätschäden auf die „Lebensqualität“, insbesondere auf die soziale und berufliche Integration nach Abschluß der Chemotherapie, sollte die Neurotoxizität der Hochdosis-Chemotherapie im Rahmen der derzeit laufenden klinischen Studien gründlich analysiert werden.