Manchmal lohnt es sich, einmal zu hinterfragen, was gesichert ist. So untersuchten Autoren der Cochrane Collaboration in einem kürzlich publizierten Review (1), ob es Evidenz für die weit verbreitete Anwendung von Silbersulfadiazin (SSD) zur Behandlung von Wunden gibt. SSD, eine Sulfonamid-Silberverbindung, ist seit den 1960er Jahren in der Wundversorgung sekundär heilender Wunden, insbesondere Brandwunden, weit verbreitet. SSD wird als Creme (Flammazine®) mit einer Wirkstoffkonzentration von 1% vertrieben und ist auch als Komponente von Wundauflagen verfügbar (z.B. Physiotulle® Ag). Die Substanz soll bei topischer Anwendung gegen ein breites Spektrum von Erregern wirken und so Wundinfektionen vorbeugen sowie den Heilungsverlauf beschleunigen.
Der oben erwähnte Cochrane Review evaluierte 14 randomisierte kontrollierte Studien, in denen die 1%ige SSD-Creme mit nicht-silberhaltigen Wundversorgungen verglichen wurden. Sechs Studien verglichen 1%ige SSD-Creme mit anderen silberhaltigen Wundauflagen, sechs weitere unterschiedliche Silberapplikationen mit meist nicht-silberhaltigen Wundverbänden. Die Studien waren durchweg von geringer methodischer Qualität und schlossen überwiegend nur wenige Patienten ein. Nur eine Studie wurde doppeltblind durchgeführt, und zwei weitere Studien verblindeten zumindest die Beurteilung der Ergebnisse.
Zwei der 14 Studien untersuchten die Häufigkeit von Wundinfektionen im direkten Vergleich von SSD-Creme mit nicht-silberhaltigen synthetischen Wundauflagen. Weder die einzelnen Studien noch gepoolte Analysen zeigten einen Unterschied zwischen SSD-Creme und Kontrolle (6 Infektionen bei 49 Wunden in der SSD-Gruppe, 7 Infektionen bei 57 Wunden in der Kontroll-Gruppe; RR: 1,00; CI: 0,88-1,12). Bei der Dauer der Wundheilung fand sich in zwei Studien sogar ein signifikanter Vorteil für nicht-silberhaltige Wundauflagen (21,3 bzw. 15,0 Tage in der SSD-Gruppe und 13,7 bzw. 10,6 Tage in der Kontroll-Gruppe). Die Ergebnisse beim Vergleich zwischen SSD-Creme und diversen anderen Wundversorgungsmethoden fielen ähnlich aus. So zeigte z.B. eine kleine randomisierte kontrollierte Studie (n = 50) von allerdings ebenfalls niedriger Qualität, dass sogar eine Wundbehandlung mit Honig nach 21 Tagen zu einer signifikant besseren Wundheilung als die SSD-Creme (Risikodifferenz: -0,16; CI: -0,31 bis -0,01) und zu signifikant weniger Infektionen führte (Risikodifferenz: 0,20; CI: 0,03-0,37; 2).
Insgesamt beklagen die Cochrane-Autoren den generellen Mangel an belastbarer Evidenz für die Wirkung silberhaltiger Topika. Speziell für SSD zur Vermeidung von Infektionen bei Brandwunden sehen die Autoren keine Studienevidenz, die den Einsatz rechtfertigen würde. Keine der Studien konnte einen Vorteil von SDD im Vergleich mit anderen silberhaltigen oder nicht-silberhaltigen Produkten zeigen.
Auch ein zweiter Cochrane Review (aus dem Jahr 2008), in dem eine andere Autorengruppe verschiedene Auflagen bei Brandwunden verglich, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis (3). Die Autoren beschreiben, dass SSD im Vergleich zu alternativen Wundauflagen (Hydrogele, silikonbeschichtete Auflagen, biosynthetische Auflagen, Honig, andere silberhaltige Auflagen) sogar zu einer Verzögerung der Wundheilung führen kann. Auch Schmerzen wurden durch andere Produkte meist, wenn auch nicht signifikant, besser gelindert als durch SSD. Auch hier empfehlen die Autoren, die Ergebnisse aufgrund der niedrigen Qualität der Studien mit Vorsicht zu interpretieren. Beide Reviews führten wegen der Heterogenität der Studien oder fehlender bzw. uneinheitlicher Daten keine Metaanalyse über die Ergebnisse durch. Eine Beurteilung der Endpunkte ist also nur auf Ebene der einzelnen randomisierten kontrollierten Studien möglich, wobei sich insgesamt doch ein recht einheitliches Bild zu Ungunsten von SSD abzeichnet.
UAW bei topischer Anwendung von SSD sind selten und in der Regel nicht schwerwiegend. Vor allem unter der Einwirkung von UV-Licht kann es gelegentlich (< 1:100) zu einer nicht-reversiblen Graufärbung der Haut (Argyrose) im Anwendungsbereich kommen. Selten können lokal eine Überempfindlichkeitsreaktion sowie eine reversible Leukopenie zu Beginn der Behandlung auftreten. Andere UAW, wie Anaphylaxie, Methämoglobinämie, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen wurden beschrieben, sind jedoch mit einer Häufigkeit < 1:10000 extrem selten. Eine Argyrie, also eine Graufärbung von Haut, Schleimhäuten und Organen wurde nur in Einzelfällen mit sehr hohen Dosen beschrieben (4, 5).
Fazit: Silbersulfadiazin (SSD) ist als antiseptisches Topikum zur Versorgung sekundär heilender Wunden, vor allem Brandwunden, weit verbreitet. Trotz gutem Sicherheitsprofil bei sachgerechter topischer Anwendung von SSD liefern die derzeit vorliegenden Studien, größtenteils von mangelhafter Qualität, keine Evidenz für einen klinischen Nutzen von SSD. Im Gegenteil, die vorliegenden Studien deuten eher darauf hin, dass SSD sogar die Wundheilung verzögern und zu häufigeren Wundinfektionen führen kann. SSD sollte daher in der Wundversorgung nicht mehr angewandt werden.
Literatur
- Storm-Versloot, M.N., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2010;3:CD006478. Link zur Quelle
- Subrahmanyam, M.: Burns 1998, 24, 157. Link zur Quelle
- Wasiak, J., et al.: Cochrane Database Syst Rev 2008;(4):CD002106. Link zur Quelle
- Fuller, F.W.: J. Burn Care Res. 2009, 30, 464. Link zur Quelle
- Chaby, G., et al.: Ann. Dermatol. Venereol. 2005, 132 (11 Pt. 1), 891. Link zur Quelle