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Behandlung der latenten Tbc mit Isoniazid bei südafrikanischen Minenarbeitern

Die Eindämmung der Tuberkulose (Tbc) bereitet nach wie vor Probleme. Es wird geschätzt, dass 2011 weltweit 1,4 Mio. Menschen an Tbc gestorben sind (1). Die Behandlungsoptionen sind begrenzt. Über neue Entwicklungen in der Therapie haben wir berichtet (2). HIV-Infektion und Silikose sind Erkrankungen, die die Inzidenz erhöhen und die Ausbreitung der Tbc begünstigen. Bei südafrikanischen Goldminen-Arbeitern ist trotz aktiver Suche und Standardkontrollen die Inzidenz der Tbc und der HIV-Infektion sehr hoch. So wurde im Jahr 1999 eine aktive Tbc bei 4000/100.000 Minenarbeitern diagnostiziert (3). In Alaska/USA konnte in den 1960er Jahren die Inzidenz der Tbc bei Eskimos, die dort hoch war, durch Einnahme von Isoniazid (INH) um 59% innerhalb von sechs Jahren gesenkt werden (4). Aber bereits damals war nicht klar, ob dies die einzige Einflussgröße war, die zur Reduktion der Tbc geführt hatte. In den USA wird – im Gegensatz zu Europa – INH auch heute noch zur Behandlung der „latenten Tbc“ eingesetzt. Zu Grunde liegt der Gedanke, dass, wenn alle nicht-infizierten Menschen im Umfeld von Tbc-Patienten mit INH behandelt werden, die Ausbreitung und damit die Inzidenz der Tbc sinken müsste. Diese Überlegungen haben zu einer großen Studie in Südafrika geführt (5).

In einer Cluster-randomisierten Studie wurden 15 Cluster mit zusammen 78.744 Minenarbeitern in zwei Cluster aufgeteilt: in ein Interventions-Cluster (8 Cluster mit insgesamt 40.981 Arbeitern) und in ein Kontroll-Cluster (7 Cluster mit 37.763 Arbeitern). Im Interventions-Cluster, wurde allen Arbeitern angeboten, sich auf Tbc untersuchen zu lassen (klinische Symptome, Röntgen-Thorax). Alle erfassten Tbc-Kranken wurden behandelt, und allen nicht-infizierten Arbeitern wurde neun Monate lang INH (300 mg/d) plus Pyridoxin (25 mg/d) für eine Prophylaxe angeboten.

27.126 Minenarbeiter nahmen am Screening für die Intervention teil. Von diesen erhielten 23.659 (87,2%) INH. Diese Intervention reduzierte nicht die Inzidenz der Tbc: In der INH-Gruppe lag sie bei 3,02/100 Personenjahre und in der Kontroll-Gruppe bei 2,95/100 Personenjahre (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,75-1,34; p = 0,98). Die Prävalenz war in beiden Gruppen auch nicht unterschiedlich (2,35% vs. 2,14%; angepasste Prävalenzratio: 0,98; CI: 0,65-1,48; p = 0,90). Ein direkter Effekt von INH während der Einnahmephase konnte bei einer Subanalyse von 10.909 Minenarbeitern gezeigt werden (Reduktion der Inzidenz auf 1,10 „Fälle“/100 Personenjahre vs. 2,91 „Fälle“/100 Patientenjahre; p = 0,03); dieser Effekt war aber nicht nachhaltig. Die Intervention hatte keinen Einfluss auf die Gesamtletalität. Ähnliche Misserfolge hatten sich schon in Interventionsstudien dieser Art in Grönland und Tunesien gezeigt, wo es auch Dörfer mit hoher Tbc-Inzidenz gab (6, 7).

In der Diskussion äußern die Autoren die Meinung, dass nur eine konsequente komplette Behandlung von Tbc-Patienten mit nachfolgender Prophylaxe mit INH sowie die Eindämmung der HIV-Infektionen in dieser Bevölkerungsgruppe die Inzidenz der Tbc reduzieren kann.

Im Editorial zu diesem Beitrag wird auch über die Möglichkeit einer lebenslangen Gabe von INH nachgedacht, diese aber wegen der zu erwartenden Toxizität verworfen (8).

Fazit: Eine neunmonatige „Massenprophylaxe“ mit INH bei südafrikanischen Minenarbeitern, bei denen Tuberkulose (und HIV-Infektion) häufig ist, senkte die Inzidenz nicht. Andere Methoden zur Prävention bzw. eine wirksame Kurzzeittherapie der latenten Tbc müssen entwickelt werden.

Literatur

  1. Chaisson, R.E., undMartinson, N.A.: N. Engl. J. Med. 2008, 358, 1089. Link zur Quelle
  2. AMB 2009, 43, 69b Link zur Quelle. AMB 2012, 46, 53 Link zur Quelle . AMB 2012, 46, 85a. Link zur Quelle
  3. Corbett, E.L., et al.:Clin. Infect. Dis. 2002, 34, 1251. Link zur Quelle
  4. Comstock, G.W., etal.: Am. Rev. Respir. Dis. 1979, 119, 827. Link zur Quelle
  5. Churchyard, G.J., et al.:N. Engl. J. Med. 2014, 370, 301. Link zur Quelle
  6. Horwitz, O., et al.:Bull. World Health Organ. 1966, 35, 509. Link zur Quelle
  7. Nyboe, J., et al.:World Health Organization 1963.
  8. Rubin, E.J.: N. Engl. J. Med.2014, 370, 375. Link zur Quelle