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Verschreibungen von Antibiotika in der ambulanten Versorgung in den USA

Verschreibungen von Antibiotika ohne adäquate Indikation sind in mehrerer Hinsicht problematisch; sie verursachen nicht nur unnötig Nebenwirkungen und Kosten, sondern tragen auch zur Entwicklung bakterieller Resistenzen bei (1, 2, vgl. 3). In der hausärztlichen Versorgung werden Antibiotika nicht selten auch bei Patienten mit viralen respiratorischen Infekten verordnet (4, 5). Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 30% solcher Verschreibungen inadäquat sind (6-8). Jedoch ist die Gruppe von Patienten, bei der gar keine Indikation für die Verordnung eines Antibiotikums vorlag, den bisherigen Untersuchungen meist entgangen. Die Gründe für inadäquate Verschreibungen sind nicht klar; auch ist unbekannt, wie viele Antibiotika ohne Indikation verschrieben werden. Daher ergeben sich auch Schwierigkeiten, Programme zu initiieren, um dies zu verbessern. In einer großen Studie wurde nun untersucht, in welchem Ausmaß Antibiotika ohne Dokumentation der Indikation verschrieben werden und welche Gründe es dafür geben könnte (9).

Methodik: Es handelt sich um eine Querschnittsstudie, die im Jahre 2015 auf der Basis des „National Ambulatory Medical Care Survey (NAMCS)” in den USA durchgeführt wurde. Diese Einrichtung des „National Center for Health Statistics“ wird genutzt, um Verschreibungsverhalten der niedergelassenen Ärzte zu untersuchen (10). Die Ärzte werden aufgefordert, einen automatischen Fragebogen zu den Visiten und Verschreibungen in einem bestimmten Zeitraum auszufüllen. Die Mitarbeiter des NAMCS ziehen hierzu weitere Informationen aus den elektronischen Patientenakten heraus. Dabei werden mehr als 1000 Variable registriert, wie Informationen zur Demographie, Diagnose, Prozeduren und Medikamentenverschreibungen. Für die hier vorgestellte Studie wurden 28.332 Visiten analysiert, die 990,8 Mio. ambulante Arztbesuche USA-weit repräsentieren. Die Verschreibung von Antibiotika wurde hierfür in drei Kategorien eingeteilt: adäquat, inadäquat oder nicht dokumentiert. Als adäquate Verschreibung wurde jeder Fall eingeschätzt, bei dem eine bakterielle Erkrankung kodiert wurde, die normalerweise oder auch unter bestimmten Umständen antibiotisch behandelt wird. In dieser Studie wurde durch multivariable logistische Regression evaluiert, welche Einflüsse die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Antibiotikum verschrieben wird, ohne dass auch die Indikation dokumentiert wird (ICD-9-CM).

Ergebnisse: Die Studie ergab, dass bei 13,2% (95%-Konfidenzintervall = CI: 11,6-13,7%) der geschätzten 990,8 Mio. ambulanten Visiten in den USA im Jahr 2015 Antibiotika verschrieben wurden. Dabei waren 57% (CI: 52-62%) der geschätzten 130,5 Mio. Verschreibungen adäquat, 25% (CI: 21-29%) inadäquat, und bei 18% (CI: 15-22%) wurde keine Indikation dokumentiert. Das bedeutet absolut, dass bei 24 Mio. Verschreibungen keine Indikation dokumentiert wurde. Risikofaktoren für nicht dokumentierte Indikationen waren beispielsweise: Behandlung erwachsener Männer, längere Dauer der Arztbesuche, Versorgung durch einen Nicht-Facharzt. Am häufigsten wurde die Indikation nicht dokumentiert bei der Verschreibung von Sulfonamiden und Antibiotika, die üblicherweise zur Behandlung von Harnwegsinfektionen verwendet werden.

Fazit: Diese landesweite Untersuchung ergab, dass in den USA viele Antibiotika verschrieben wurden, ohne dass dafür eine Indikation dokumentiert wurde. Darüber hinaus war mehr als ein Viertel der Verschreibungen inadäquat. Nur bei etwa der Hälfte konnte die Verordnung als adäquat nachvollzogen werden. Diese nachdenklich stimmenden Zahlen aus den USA sind wahrscheinlich auch bei uns zu erwarten, wenn es hierzu genauere Daten gäbe.

Literatur

  1. Schmidt, M.L., et. al.: Infect. Control. Hosp. Epidemiol. 2018, 39, 307. Link zur Quelle
  2. AMB 2019, 53, 26 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 02 Link zur Quelle . AMB 2016, 50, 09 Link zur Quelle . AMB 2014, 48, 37. Link zur Quelle
  3. Steinman, M.A., et al.: Ann. Intern. Med. 2003, 138, 525. Link zur Quelle
  4. Gonzales, R., et al.: JAMA1997, 278, 901. Link zur Quelle
  5. Gonzales, R., et al.: Clin. Infect. Dis. 2001, 33, 757. Link zur Quelle
  6. Chua, K.-P., et al.: BMJ 2019, 364, k5092. Link zur Quelle
  7. Fleming-Dutra, K.E., et al.: JAMA 2016, 315, 1864. Link zur Quelle
  8. Dobson, E.L., et al.: J. Am. Pharm. Assoc. 2017, 57, 464. Link zur Quelle
  9. Ray, M.J., et al.: BMJ 2019, 367, l646. Link zur Quelle
  10. Centers for Disease Control and Prevention. NAMCS micro-data file documentation: summary of changes for 2015. Link zur Quelle