Artikel herunterladen

Zulassung von Zanubrutinib, einem BTK-Inhibitor der 2. Generation, zur Behandlung des Morbus Waldenström [CME]

Zanubrutinib (Brukinsa®) ist ein Inhibitor der Bruton Tyrosinkinase (BTK) der 2. Generation, der im November 2021 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) als Monotherapie zur Behandlung erwachsener Patienten mit Morbus Waldenström (MW) zugelassen wurde, die mindestens eine vorherige Therapie erhalten haben, oder zur Erstlinientherapie bei Patienten, die für eine Chemo-/Immuntherapie nicht geeignet sind [1]. Der MW (auch bezeichnet als lymphoplasmozytisches Lymphom) ist ein seltenes, niedrig-malignes Lymphom, weshalb es sehr schwierig ist, größere randomisierte kontrollierte Studien in dieser Indikation durchzuführen [2]. Zudem sollten nur symptomatische Patienten mit MW behandelt werden, und die patientenindividuelle Therapie sollte sich nach den vorhandenen Symptomen richten [3]. Bis heute gibt es deshalb keine Standardtherapie des MW, sondern unterschiedliche Therapiestrategien, die an den jeweiligen Patienten angepasst werden müssen [2][3].

Zanubrutinib wurde bereits im November 2019 nach einem beschleunigten Verfahren von der US-amerikanischen „Food and Drug Administration“ (FDA) zur Behandlung von Patienten mit Mantelzell-Lymphom (MZL) und im August 2021 für die Behandlung des MW zugelassen [4]. Derzeit noch laufende klinische Studien untersuchen die Wirksamkeit und Sicherheit von Zanubrutinib bei weiteren B-Zell-Neoplasien (z.B. refraktären chronischen lymphatischen Leukämien der B-Zellen (B-CLL) und des kleinzelligen lymphozytischen B-Zell-Lymphoms; [5]).

Die Wirksamkeit von Zanubrutinib beruht auf einer kovalenten Bindung mit einem Cystein-Rest im aktiven Zentrum der BTK. Daraus resultiert, ebenso wie bei Behandlung mit Ibrutinib [6], eine irreversible Hemmung der Signalübertragung über den B-Zell-Rezeptor („B-cell receptor“ = BCR) sowie der beteiligten sekundären Botenstoffe („second messengers“), die u.a. Migration, Proliferation und Überleben maligner B-Zellen beeinflussen bei hämatologischen Neoplasien wie beispielsweise der B-CLL, dem follikulären Lymphom (FL), dem MW und dem diffus-großzelligen B-Zell-Lymphom („diffuse large B-cell lymphoma“ = DLBCL).

In einer für die Zulassung von Zanubrutinib relevanten Phase-III-Studie (ASPEN-Studie) wurden zwischen Januar 2017 und Juli 2018 die Wirksamkeit und Sicherheit von Zanubrutinib (zweimal 160 mg/d) verglichen mit Ibrutinib (einmal 420 mg/d) in der Behandlung symptomatischer Patienten mit MW mit einer MYD88L265P-Mutation [7]. Die somatische Mutation des „MYeloid Differentiation factor 88“ (MYD88) ist bei > 90% der Patienten mit MW nachweisbar und verstärkt die Aktivierung der BTK beim MW. Insgesamt wurden in die ASPEN-Studie 164 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem MW und 37 zuvor unbehandelte Patienten randomisiert, von denen 199 Patienten ≥ eine Dosis Zanubrutinib bzw. Ibrutinib erhielten. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit MW, bei denen ein komplettes (CR) oder sehr gutes Ansprechen („very good partial response“ = VGPR) unter der Therapie mit Zanubrutinib oder Ibrutinib erzielt werden konnte. Sekundäre Endpunkte waren u.a. das „progression-free survival“ (PFS), die „duration of response“ (DOR) und die Sicherheit von Zanubrutinib bzw. Ibrutinib [7]. Keiner der mit Zanubrutinib oder Ibrutinib behandelten Patienten mit MW erreichte eine CR und 28% der mit Zanubrutinib bzw. 19% der mit Ibrutinib behandelten Patienten erreichten eine VGPR (p = 0,09). Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte unterschieden sich Zanubrutinib und Ibrutinib nicht signifikant. Nebenwirkungen, die in klinischen Studien unter Ibrutinib aufgetreten sind (z.B. Vorhofflimmern, Diarrhö, periphere Ödeme, Hämorrhagien, Muskelspasmen und Pneumonie) traten in dieser Studie nach Behandlung mit Zanubrutinib jedoch seltener auf als nach Ibrutinib. Demgegenüber wurde eine Neutropenie, nicht aber Infektionen (≥ Grad 3), häufiger nach Einnahme von Zanubrutinib beobachtet. Beide BTK-Inhibitoren hemmen die BTK in Vorläuferzellen der neutrophilen Granulozyten, wobei die höhere Bioverfügbarkeit von Zanubrutinib als eine Erklärung für das häufigere Auftreten von Neutropenien diskutiert wird [7].

Die Ergebnisse der ASPEN-Studie wurden von den Autoren dahingehend interpretiert, dass beide BTK-Inhibitoren in der Behandlung von Patienten mit MW gut wirksam sind, jedoch insbesondere die kardiovaskuläre Toxizität von Zanubrutinib geringer ist als von Ibrutinib [7]. Als eine mögliche Erklärung der besseren Verträglichkeit von Zanubrutinib wird vor allem die höhere Selektivität genannt hinsichtlich einer Hemmung der BTK im Vergleich zu anderen Inhibitoren der Tyrosinkinasen (z.B. Ibrutinib, Acalabrutinib), die für Nebenwirkungen („Off-Target“-Effekte) wie Vorhofflimmern, Diarrhö, Thrombozytopenie, Hautveränderungen und Müdigkeit verantwortlich gemacht werden [5] [7] [8].

In der Fachinformation zu Brukinsa® wird darauf hingewiesen, dass dieser BTK-Inhibitor noch einer zusätzlichen Überwachung unterliegt und von Gesundheitsberufen Verdachtsfälle einer Nebenwirkung gemeldet werden sollten. Außerdem werden Empfehlungen ausgesprochen für Dosisanpassungen bei Nebenwirkungen und – da Zanubrutinib hauptsächlich durch das Cytochrom-P450-Enzym 3A (CYP3A) metabolisiert wird – bei gleichzeitiger Einnahme anderer Arzneimittel, die CYP3A induzieren oder inhibieren [9]“ link=“[9]„].

Fazit

Zanubrutinib, ein BTK-Inhibitor der 2. Generation, hatte bei Patienten mit vorbehandeltem Morbus Waldenström (MW) oder für eine Chemo-/Immuntherapie nicht geeigneten Patienten in der randomisierten, kontrollierten ASPEN-Studie eine etwa gleiche Wirksamkeit wie Ibrutinib. Bekannte Nebenwirkungen von Ibrutinib (vor allem die kardiovaskuläre Toxizität) traten unter Zanubrutinib jedoch seltener auf. Dies wird erklärt durch eine höhere Selektivität dieses BTK-Inhibitors der 2. Generation bei der Hemmung von Tyrosinkinasen und daraus resultierenden geringeren „Off-Target“-Effekten. Die Ergebnisse weiterer randomisierter kontrollierter Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Zanubrutinib müssen allerdings abgewartet werden, bevor der therapeutische Stellenwert dieses BTK-Inhibitors für die Behandlung des MW bzw. anderer B-Zell-Neoplasien endgültig beurteilt werden kann.

Literatur

  1. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/brukinsa (Link zur Quelle)
  2. Dimopoulos, M.A., und Kastritis, E.: Blood 2019, 134, 2022. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006497120731617?via%3Dihub (Link zur Quelle)
  3. Castillo, J.J., und Treon, S.P.: Hematology 2020 (ASH Education Program). https://ashpublications.org/hematology/article/2020/1/372/474337/Management-of-Waldenstrom-macroglobulinemia-in (Link zur Quelle)
  4. https://www.fda.gov/drugs/resources-information-approved-drugs/fda-approves-zanubrutinib-waldenstroms-macroglobulinemia (Link zur Quelle)
  5. Hillmen, P., et al. (ALPINE = Study of the Safety and Pharmacokinetics of BGB-3111 in Subjects With B-Cell Lymphoid Malignancies): Future Oncol. 2020, 16, 517. https://www.futuremedicine.com/doi/full/10.2217/fon-2019-0844?rfr_dat=cr_pub++0pubmed&url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org (Link zur Quelle)
  6. AMB 2014, 48, 59. AMB 2015, 49, 68b. AMB 2016, 50, 89. AMB 2019, 53, 49. AMB 2020, 54, 01. (Link zur Quelle)
  7. Tam, C.S., et al. (ASPEN = A Study Comparing BGB-3111 and Ibrutinib in Participants With Waldenström's Macroglobulinemia): Blood 2020, 136, 2038. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7596850/ (Link zur Quelle)
  8. Tam, C.S., et al.: Expert Rev. Clin. Pharmacol. 2021, 14, 1329. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17512433.2021.1978288 (Link zur Quelle)
  9. H. Müller, 2020, Beispielbuch, Westkreuzverlag Berlin (Link zur Quelle)