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Verapamil zur Behandlung der „Schaufensterkrankheit“

Experimentelle Arbeiten haben gezeigt, daß Kalziumantagonisten vom Verapamil-Typ die Sauerstoffextraktion in minderperfundierter Extremitätenmuskulatur erhöhen. Bisher konnte dieser Effekt bei der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit jedoch klinisch nicht nachgewiesen werden. Verschiedene kleinere Studien mit diversen Kalziumantagonisten in jeweils fixen Dosierungen zeigten keinen positiven Effekt auf die Symptome oder die Gehstrecke. In einer dänischen Studie wurde nun untersucht, ob eine individuelle Titrierung der Verapamil-Dosis einen klinisch nachweisbaren Effekt hat (Bagger, J.P., et al.: Circulation 1997, 95, 411).

Hierzu wurden 44 Patienten mit einer klinisch stabilen peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (PAVK) und einer Gehstrecke unter 200 Meter randomisiert. Ausschlußkriterien waren unter anderem Angina pectoris, manifeste Herzinsuffizienz und Therapie mit Vasodilatatoren oder Betarezeptoren-Blockern. Die Patienten waren im Mittel 59 Jahre alt und litten durschnittlich schon 2 Jahre lang an einer Claudicatio. Bei 24 Patienten war ein Bein, bei 20 Patienten waren beide Beine betroffen. Der mittlere Blutdruckquotient von Knöchel-/Brachialarterie betrug 0,54.

In einer 4wöchigen Dosisfindungsphase wurde zunächst die höchste noch tolerierte Verapamil-Dosis ermittelt. Diese betrug bei je 8 Patienten 120 mg/d bzw. 240 mg/d und bei je 14 Patienten 360 mg/d bzw. 480 mg/d. Bereits in dieser Dosisfindungsphase stieg die Gehstrecke signifikant an. Danach erhielten die Patienten in einem Cross-over-Design doppeltblind 4 Wochen lang Verum oder Plazebo und dann für weitere 4 Wochen die jeweils andere Substanz in der zuvor ermittelten individuellen Dosierung.

Durch die individuell ermittelte höchste Verapamil-Dosis konnte die Claudicatio signifikant verbessert werden. Die schmerzfreie Gehstrecke nahm im Mittel von 39 auf 59 Meter zu und die maximal mögliche Gehstrecke von 100 auf 147 Meter. Der mittlere Blutdruckquotient blieb dabei unverändert. Gravierende Nebenwirkungen traten nicht auf; die leichteren unerwünschten Wirkungen (Schwindel, Obstipation, Palpitationen) verteilten sich gleich auf Verum und Plazebo. Die Autoren folgern, daß die individuell austitrierte Verapamil-Dosis sowohl den Schmerz als auch die maximale Gehstrecke um 50% verbessert. Dieser Effekt ist wahrscheinlich nicht in den vasodilatierenden Eigenschaften des Kalziumantagonisten begründet, sondern in einer Steigerung der muskulären Sauerstoffextraktion. Abschließend wird gewarnt, den systemischen Blutdruck bei normotensiven Patienten zu senken, da hierdurch die periphere Perfusion vermindert wird.

Fazit: Neben Azetylsalizylsäure und Gehtraining steht mit Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp eine weitere nichtinvasive Therapieform bei PAVK zur Verfügung. Die klinischen Effekte sind jedoch nicht sehr ausgeprägt und die möglichen kardialen Nebenwirkungen von Verapamil müssen berücksichtigt werden. Bei einigen Patienten kann Verapamil in der maximal tolerierten Dosis jedoch eine Ergänzung der Standardtherapie sein.