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Welches Insulinregime sollte bei Diabetes mellitus Typ 2 mit „Sekundärversagen” oraler Antidiabetika zunächst gewählt werden?

Diese Gretchen-Frage wird von Diabetologen unterschiedlich beantwortet. Der Standardpatient mit diesem Problem ist übergewichtig, hält sich mehr oder weniger an seine Diät-Empfehlungen, hat eine Hypertonie, nimmt bereits eine relativ große Dosis Metformin und zusätzlich ein Sulfonylharnstoff-Präparat oder ein Glinid. Wenn dem behandelnden Arzt das unter dieser Therapie gemessene Blutzuckerprofil und der HbA1c-Wert zu hoch erscheinen, stellt sich meist die Frage mit welchem Insulinregime zu beginnen ist, sofern der Patient einer Insulintherapie überhaupt zustimmt. Von der Möglichkeit der Verordnung eines Glitazons oder von Acarbose soll hier abgesehen werden.

Im N. Engl. J. Med. erschien kürzlich eine Vorabanalyse einer von Novo Nordisk mitfinanzierten Studie (4-T-Studie) von R.R. Holman et al. (1), in der drei verschiedene initiale Insulinregime unter Beibehaltung der oralen Therapie miteinander verglichen werden. Die Studie wird insgesamt drei Jahre laufen, was angesichts der meisten anderen, viel kürzeren Diabetes-Therapiestudien zu begrüßen ist. Die jetzige Veröffentlichung gibt die Ergebnisse nach einem Jahr wieder. In 58 Praxen in Großbritannien und Irland wurden insgesamt 708 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, bei denen der HbA1c-Wert unter Therapie mit „maximal tolerierten” Dosen Metformin plus einem Sulfonylharnstoff-Präparat zwischen 7% und 10% lag, drei verschiedenen Insulinregimen randomisiert zugeordnet: A: zweimal täglich ein Mischinsulin-Analogon, bestehend aus 30% Insulinaspart und 70% Aspart-Protamin-Kristallen (NovoMix®), B: dreimal direkt vor den Mahlzeiten das kurz wirkende Analogon Insulinaspart (NovoRapid®) oder C: einmal das nicht ganz 24 Stunden lang wirkende Analogon Insulindetemir (Levemir®). Die initiale Tages-Gesamtdosis war aufgrund einer Formel, die sich aus den morgendlichen Nüchtern-Blutzuckerwerten, dem Körpergewicht und dem Body-Mass-Index ergab, vorgeschrieben. Patienten, die zuvor Glitazone oder früher bereits Insuline benutzt hatten, mit Herz- oder Nierenkrankheiten oder einem Blutdruck > 180/110 mm Hg wurden nicht in die Studie eingeschlossen. Im Rahmen der Visiten nach 2, 6, 12, 24, 38 und 52 Wochen konnte die Insulindosierung geändert werden. Patienten der Gruppe A konnten angewiesen werden, mittags zusätzlich Insulinaspart zu spritzen, und die der Gruppe C konnten, wenn erforderlich, zweimal am Tag das lang wirkende Insulindetemir spritzen. Vor jeder Visite mussten die Patienten drei standardisierte Blutzucker-Tagesprofile erstellen und Hypoglykämien nach den Schweregraden 1-3 registrieren. Bei häufigen Hypoglykämien sollte das Sulfonylharnstoff-Präparat abgesetzt werden.

Die drei Gruppen umfassten jeweils etwas mehr als 230 Patienten. 61-67% waren Männer im Alter von (im Mittel) 61-62 Jahren mit mittleren HbA1c-Werten von 8,4%-8,6%. Nach einem Jahr Insulin(Analogon-)-Behandlung hatten die Patienten der Gruppen A, B, C HbA1c-Werte von 7,3% vs. 7,2% vs. 7,6%. Die Werte der Gruppen A und B waren signifikant niedriger als die der Gruppe C (p < 0,001). Bei Patienten mit initialen HbA1c-Werten < 8,5% waren die Ergebnisse hinsichtlich des nach einem Jahr erzielten HbA1c-Wertes in den drei Gruppen aber kaum unterschiedlich.

Nur wenige Patienten hatten nach einem Jahr den „idealen” HbA1c-Wert von ≤ 6,5% erreicht (A: 17%; B: 23,9%; C: 8,1%). Die Zahl der Hypoglykämien/Jahr war, wie zu erwarten, in Gruppe B am größten (12 Ereignisse vs. 5,7 in Gruppe A und 2,3 in Gruppe C). Patienten der Gruppe C nahmen am wenigsten an Gewicht zu (1,9 kg vs. 4,7 kg in Gruppe A und 5,7 kg in Gruppe B). In allen Gruppen nahm die für die Erhaltung eines relativ günstigen HbA1c-Werts erforderliche Insulindosis im Laufe des Jahres etwas zu. Ein Nachteil der Studie ist, dass ausschließlich Insulin-Analoga nur einer Firma untersucht wurden. Die Wirkdauer von Insulinaspart ist allerdings gut mit der von Insulinlispro (Humalog®) vergleichbar, während das mit Levemir® vergleichbare und häufig verwendete Insulinglargin (Lantus®) eine etwas längere Wirkdauer als das erstere hat.

Die Ergebnisse werden von zwei Mitherausgebern des N. Engl. J. Med. kommentiert (2). In Übereinstimmung mit den Autoren der Studie kommen sie zu dem Schluss, dass das Regime C bei unzureichender Wirkung der Therapie mit oralen Antidiabetika wegen seiner guten Praktikabilität, geringer Gewichtszunahme und geringem Hypoglykämierisiko für Insulin-„Einsteiger” mit nicht allzu schlechter Blutzuckerkontrolle den beiden anderen Regimen vorzuziehen ist. Die Kommentatoren empfehlen jedoch, in der Regel das Sulfonylharnstoff-Präparat bei Beginn der Insulintherapie, anders als dies in der Studie geschehen ist, abzusetzen, da es nicht mit Insulin synergistisch ist. Das läuft in der Regel auf die Kombination von Metformin mit Insulin hinaus. Sie fordern weiterhin – in Übereinstimmung mit anerkannten Therapierichtlinien – der Blutdrucksenkung bei hypertensiven Diabetikern die gleiche Aufmerksamkeit wie der Kontrolle des HbA1c-Werts zu widmen. Die Autoren der 4-T-Studie sehen in der Entscheidung, die orale antidiabetische Therapie vor Beginn mit Insulin nicht durch die Hinzunahme von Thiazolidindionen eskaliert zu haben, keinen Nachteil. Sie begründen das in Übereinstimmung mit dem AMB mit den in letzter Zeit bekannt gewordenen bedenklichen UAW dieser Medikamentenklasse (3-5).

Es ist klar, dass viele Patienten, besonders solche mit sehr hohen initialen HbA1c-Werten, nicht lange mit dem Behandlungsschema C (Metformin plus eine Dosis Langzeitinsulin zur Nacht) auskommen werden. In vielen Fällen wird man prandiales Insulin (humanes Normalinsulin oder ein kurz wirkendes Analogon) hinzufügen müssen.

Fazit: Dieser Vergleich dreier initialer Insulin-Regime bei Typ-2-Diabetikern mit unzureichender Blutzucker- und HbA1c-Kontrolle unter Metformin plus Sulfonylharnstoff spricht dafür, in der Regel zunächst vor dem Schlafengehen ein lang wirkendes Insulin oder Insulin-Analogon zu empfehlen. Bei Injektion von zwei Dosen eines Mischinsulins oder von drei prandialen Dosen eines kurz wirkenden Insulin-Analogons lässt sich zwar im Vergleich mit einer Einzeldosis des lang wirkenden Insulins der HbA1c-Wert stärker senken, jedoch ist die Gewichtszunahme und das Hypoglykämie-Risiko größer.

Literatur

  1. Holman, R.R., et al. (4-T = Treating To Target in Type 2 diabetes study): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 1716. Link zur Quelle
  2. McMahon, G.T., und Dluhy, R.G.: N. Engl. J. Med. 2007, 357, 1759. Link zur Quelle
  3. AMB 2007, 41, 72a. Link zur Quelle
  4. AMB 2007, 41, 45a. Link zur Quelle
  5. AMB 2007, 41, 13a. Link zur Quelle