Eines der am meisten belastenden Symptome bei der Alzheimer-Demenz (AD) ist Agitiertheit (Angst, Erregbarkeit, motorische Unruhe), die zu Umherirren, Schreien und aggressiven Ausbrüchen führen kann. Dieses Verhalten wird bei einem Viertel der zu Hause und bei der Hälfte der in Pflegeheimen lebenden AD-Patienten beschrieben und ist insbesondere für das soziale Umfeld eine große Belastung. Es ist auch der wichtigste Grund für eine Heimunterbringung von AD-Kranken. Daher kommt der Behandlung der Agitiertheit eine sehr große Bedeutung zu.
Der erste Behandlungsansatz bei demenzieller Agitiertheit besteht darin, nach möglichen Triggern für die Erregung zu suchen (z.B. Lärm, Schmerz, u.a.) und diese möglichst zu eliminieren. Zudem wird heute eine psychosoziale Intervention empfohlen, die auch Musik- und Aromatherapien beinhalten kann, und vor allem eine spezielle Schulung der Pflegenden. Zur medikamentösen Therapie stehen in erster Linie Neuroleptika zur Verfügung. Typische (Haldol) und atypische (Risperidon = Risperdal®, Olanzapin = Zyprexa®) Neuroleptika werden häufig angewendet; allerdings wurde in einer Metaanalyse unter dieser Therapie eine leicht erhöhte Schlaganfall- und Todesrate gefunden (1). Daher sind auch die neueren atypischen Antipsychotika in den USA nicht für die Behandlung der AD zugelassen, und es wird bei einer Off-label-Anwendung ausdrücklich vor den genannten Komplikationen gewarnt.
Auf der Suche nach sichereren Alternativen zur Beruhigung bei Agitiertheit werden nun auch Antidementiva vom Typ der Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil = Aricept®, Galantamin = Reminyl®, Rivastigmin = Exelon®) vorgeschlagen. Eine Metaanalyse (2) und ein Cochrane-Review (3) kamen zu einer positiven Bewertung dieser Substanzgruppe. Ein österreichisches Konsensuspapier der Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und biologische Psychiatrie (ÖGPB) aus dem Jahre 2006 empfiehlt sogar Acetylcholinesterase-Hemmer oder Memantin als erste Therapie bei demenzieller Agitiertheit. Dieser Konsensus wurde übrigens nur durch „die finanzielle Untersützung von insgesamt acht Unternehmen der Arzneimittelindustrie ermöglicht” (4).
Eine aktuelle Multicenterstudie aus England greift nun dieses wichtige Thema auf. An acht psychiatrischen und geriatrischen Zentren in Großbritannien wurde der Wert von Donepezil bei Agitiertheit von AD-Patienten prospektiv untersucht (5). In dieser CALM-AD genannten Studie sollte ursprünglich agitierten AD-Patienten 12 Wochen lang entweder das atypische Neuroleptikum Risperidon oder der Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil oder Plazebo gegeben werden. Der Risperidon-Arm wurde jedoch nach wenigen Wochen abgebrochen, weil das englische Committee for Safety of Medicines zu diesem Zeitpunkt eine Empfehlung gab, Risperidon und Olanzapin wegen der genannten UAW bei dieser Indikation nicht mehr zu verwenden.
Die Studie wurde daraufhin im Juli 2004 mit zwei Studienarmen neu gestartet (Donepezil vs. Plazebo). Gesucht wurden Patienten mit einer eindeutigen AD-Diagnose und belastenden Symptomen der Agitiertheit an mindestens zwei Tagen in der Woche. Der CMAI-Score musste mindestens 39 Punkte betragen (der Cohen-Mansfield Agitation Inventory Test misst das Ausmaß der Agitiertheit von 29-203 Punkten, wobei die höheren Werte einen höheren Agitiertheitsgrad angeben). Zusätzliche Antipsychotika waren nicht erlaubt.
Von den 509 in Frage kommenden Patienten wurden letztlich 259 vierzehn Monate lang in die zwei Behandlungsarme eingeschlossen. Die übrigen Patienten nahmen nicht teil, weil kein „informed consent” erzielt worden war oder weil die obligat vorgeschaltete psychosoziale Intervention bereits erfolgreich war. Bei dieser nicht-medikamentösen Basisintervention wurden vier Wochen lang Maßnahmen wie Musiktherapie, Triggerelimination und Schulung der Pflegenden durchgeführt. Bei 53 Patienten kam es dadurch zu einer signifikanten Besserung der Agitiertheit (CMAI-Score < 39 Punkte).
Das mittlere Alter der randomisierten Patienten betrug 84,6 Jahre, 84% waren Frauen. Die Patienten erhielten zunächst vier Wochen lang einmal 5 mg/d Donepezil, dann acht Wochen lang zweimal 5 mg/d oder Plazebo. Die Studienmedikation wurde in gleich aussehenden Kapseln gegeben. Primärer Studienendpunkt war die erzielte Veränderung des CMAI-Scores, sekundäre Endpunkte waren die Punktwerte weiterer Scores zur Messung kognitiver und funktioneller Fähigkeiten von AD-Patienten. Diese Tests wurden viermal durchgeführt: zu Beginn, nach Abschluss der psychosozialen Intervention sowie nach vier und 12 Wochen medikamentöser Therapie.
Das Ergebnis war eindeutig. Donepezil führte im Vergleich zu Plazebo nicht zu einer besseren Kontrolle der Agitiertheit (Abnahme des CMAI-Scores 6,34 vs. 4,99 Punkte, nicht signifikant). Auch bei anderen Scores zur Messung des neuropsychiatrischen Zustands war kein Unterschied zwischen Plazebo und Donepezil festzustellen (NPI, NPI-caregiver, CGTC). Einzig die Tests, die die kognitiven Fähigkeiten messen (SIB, SMMSE), zeigten eine Besserung bzw. eine verzögerte Verschlechterung der Demenz durch Donepezil (s.a. 6, 7). UAW wurden unter Donepezil nicht signifikant häufiger beobachtet als unter Plazebo.
Fazit: Mit Donepezil kann die für Patienten und ihre Betreuer sehr belastende Agitiertheit bei Alzheimer-Demenz nicht adäquat behandelt werden. Diese Substanz ist kein Ersatz für die nebenwirkungsreichen und daher möglichst nur gezielt einzusetzenden Antipsychotika. Wichtig ist die nicht-medikamentöse Behandlung, z.B. psychosoziale Interventionen und die Modifikation von Triggern der Agitiertheit (Lärm, Schmerz u.a.).
Literatur
- Schneider, L.S., et al.: JAMA 2005, 294, 1934. Link zur Quelle
- Trinh, N.H., et al.: JAMA 2003, 289, 210. Link zur Quelle
- Birks, J.: Cochrane Database Syst. Rev 2006, 1, CD005593
- Anonymus: Clinicum Psy. 2006. Link zur Quelle
- Howard, R.J., et al. (CALM-AD = Cholinesterase inhibitor and AtypicaL neuroleptic in the Management of agitation in Alzheimer’s Disease): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 1382. Link zur Quelle
- AMB 2004, 38, 76. Link zur Quelle
- AMB 2007, 41, 05. Link zur Quelle