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Allogene Blutstammzell-Transplantation: Konsequenzen für den Spender

Aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Zytokin-mobilisierten allogen peripheren Blutstammzellen (PBSC) als Alternative zur allogenen Knochenmarktransplantation müssen die Risiken für den Spender, die mit diesem Verfahren verbunden sind, sorgfältig untersucht werden. Hierzu zählen u.a. Nebenwirkungen der zur Mobilisierung der PBSC verwendeten Zytokine, meistens rekombinanter humaner Granulozyten-Kolonien-stimulierender Faktor (rhG-CSF), Auswirkungen der PBSC-Apherese sowie mögliche Spätkomplikationen. Bisher vorliegende Ergebnisse zu diesen Fragen wurden anläßlich eines „Ad-hoc“-Workshops Ende 1996 diskutiert, an dem Vertreter von mehr als 40 Transplantationszentren teilnahmen. Die wesentlichen Empfehlungen dieses Workshops wurden jetzt in einem Editorial der Zeitschrift Blood zusammengefaßt (Anderlini, P., et al.: Blood 1997, 90, 903).

Die zur Mobilisierung von PBSC verwendeten Dosen von rhG-CSF variieren zwischen 2-3 bis zu 24 µg/kg/d, wobei heute meistens eine Dosis von 10 µg/kg/d verwendet wird. Die unter dieser Dosis am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen sind Knochen- und Kopfschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit. Andere Nebenwirkungen wie nicht-kardial bedingter Brustschmerz, Schlaflosigkeit, Nachtschweiß, Flüssigkeitsretention und Schwindelanfälle sind selten. Diese Nebenwirkungen sind zumindest teilweise dosisabhängig und verschwinden innerhalb weniger Tage nach Absetzen von rhG-CSF. Durch Gabe von rhG-CSF kommt es häufig zu einer Erhöhung der alkalischen Phosphatase und Laktatdehydrogenase auf das Zwei- bis Dreifache der Normalwerte sowie seltener zu einer Abnahme der Serum-Elektrolytkonzentrationen. Zahlreiche Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, daß sich nach Stimulation mit rhG-CSF die Kinetik des Anstiegs der Granulozyten und der hämatopoetischen Progenitorzellen (charakterisiert anhand der Expression von CD34) unterscheiden. Während eine Leukozytose üblicherweise innerhalb von vier bis sechs Stunden nach Gabe von rhG-CSF auftritt, findet sich ein deutlicher Anstieg der zirkulierenden CD34-positiven Progenitorzellen erst nach drei Tagen und ein Peak in der Regel erst nach fünf bis sechs Tagen Verabreichung von rhG-CSF Die meisten Transplantationszentren empfehlen bei deutlicher Leukozytose eine Dosisreduktion des rhG-CSF um exzessive Leukozyten (willkürlich definiert als Leukozytenzahl > 70 mal 109/l) zu vermeiden. Obwohl die Eliminationshalbwertzeit von rhG-CSF nach s.c. oder i.v. Verabreichung nur drei bis vier Stunden beträgt, ist aufgrund der deutlich längeren biologischen Halbwertzeit dieses Zytokins eine einmalige Gabe pro Tag ausreichend. Die Gewinnung der PBSC erfolgt mittels Apherese, wobei das Zweifache, u.U. sogar das Drei- bis Sechsfache des Spenderblutvolumens bearbeitet und 3- bis 5mal 108 kernhaltige Zellen pro kg Körpergewicht des Spenders gesammelt werden. Nach Stammzellgewinnung wird gelegentlich eine vorübergehende, meistens asymptomatische Zytopenie beim Spender beobachtet, von der neutrophile Granulozyten, Lymphozyten, aber auch Thrombozyten betroffen sein können und die, zumindest teilweise, durch die Leukapherese ausgelöst wird. Bei Spendern, deren Thrombozytenwerte nach Apherese < 80-100 mal 109/l betragen, sollte eine Reinfusion des anläßlich der Apherese gewonnenen plättchenreichen Plasmas erwogen werden. Grundsätzlich gelten für die Gewinnung von PBSC von normalen Spendern dieselben Auswahlkriterien wie für die Thrombozytenapherese, wobei jedoch auch pädiatrische Spender in Frage kommen. Eine Festlegung der definitiven Kontraindikationen für die Mobilisierung und Apherese von PBSC ist aufgrund der noch begrenzten Erfahrungen mit diesem Verfahren derzeit nicht möglich. Relative Kontraindikationen betreffen in erster Linie das Vorliegen entzündlicher Erkrankungen bzw. von Autoimmunopathien mit vorwiegend entzündlicher Komponente sowie vorausgegangene mit Chemo-/Radiotherapie behandelte maligne Erkrankungen des Spenders. Da die Einflüsse von rhG-CSF auf die Hämostase (Verstärkung der Plättchenaggregation und -aktivität?) nicht endgültig beurteilt werden können, sollte bei Spendern mit vorausgegangener venöser Thrombose oder bei bekannten bzw. vermuteten arteriosklerotischen Gefäßveränderungen die Gabe des Zytokins zur Mobilisierung von PBSC kritisch überdacht werden. Die langfristigen Auswirkungen der Mobilisierung und Apherese von PBSC für den Spender sind unklar, und es wurde deshalb anläßlich des obengenannten Workshops die Einrichtung eines PBSC-Spenderregisters angeregt, um spät auftretende Nebenwirkungen, insbesondere der rhG-CSF-Gabe, prospektiv zu erfassen. Berichte über Langzeitwirkungen von rhG-CSF (u.a. erhöhte Inzidenz an Leukämien) bei Patienten mit schwerer kongenitaler Neutropenie und aplastischer Anämie sind für normale Spender von PBSC vermutlich nicht relevant, da bei den genannten Erkrankungen, auch ohne Therapie mit rhG-CSF gehäuft akute Leukämien auftreten. Hinweise, daß rhG-CSF bei hämatologisch gesunden Individuen Leukämien auslösen, liegen bisher nicht vor.

Fazit: Die akut auftretenden Nebenwirkungen der Mobilisierung und Apherese von peripheren Blutstammzellen sind für den Spender akzeptabel, müssen jedoch weiter gründlich untersucht werden. Hinsichtlich der Spätkomplikationen dieses Verfahrens liegen bisher nur wenige Daten vor, so daß deren sorgfältige Erfassung durch Transplantationszentren bzw. Spenderregister unbedingt erforderlich ist. Offene Fragen, auf die anläßlich des o.g. Workshops hingewiesen wurde, betreffen u.a. die optimale Dosis des rhG-CSF für die Mobilisierung, die Definition von Kontraindikationen für die Gabe von rhG-CSF, den Einsatz von rhG-CSF bei nicht verwandten Spendern und Art bzw. Häufigkeit von Spätkomplikationen.