Die Gabe von hochdosiertem Dexamethason oder anderen hochwirksamen antiödematösen Glukokortikoiden beim Schädel-Hirntrauma ist in vielen Zentren Routine, obwohl die Ergebnisse randomisierter; plazebokontrollierter Studien widersprüchlich sind. In Großbritannien verwendet offenbar nur die Hälfte der traumatologischen lntensivstationen bei dieser Indikation Glukokortikoide. P. Alderson und I. Roberts aus Oxford berichten im Brit. Med. J. (1997, 314, 1855) über Ergebnisse einer Metaanalyse von Studien zu diesem Thema. Nur Studien mit echter Randomisierung zwischen aktiver Therapie und Plazebo wurden berücksichtigt. Die aktive Therapie bestand in der hoch bis extrem hoch dosierten Gabe von Glukokortikoiden für ca. 10 bis 20 Tage, meist mit fallender Dosierung. Endpunkte waren die Letalität sowie das Zurückbleiben dauernder Behinderungen.
Ergebnisse: In die Endauswertung kamen 13 randomisierte Studien. Die durchschnittliche Letalität in allen Studien zusammen betrug etwa 35%. Die Odds Ratios (OR) hinsichtlich Letalität in den Einzelstudien bewegten sich zwischen 0,24 zugunsten der aktiven Therapie und 1,84 zuungunsten derselben mit einem Mittelwert von 0,91 (Vertrauensbereich: 0,74 bis 1,12) bei einer Gesamtzahl von etwa 1800 randomisierten Patienten. Wurden die Merkmale Letalität und dauernde Behinderung zusammengefaßt, betrug die durchschnittliche OR 0,9 (0,72-1,11). Wurden nur die Studien mit den strengsten Randomisierungs- und Blindungskriterien berücksichtigt, dann betrug die OR für Letalität 1,04 (0,83-1,3), für Letalität plus Behinderung 0,97 (0,77-1,23). Bemerkenswerterweise war das durchschnittliche Risiko, durch die Steroidtherapie eine schwere Infektion (OR =0,92) oder eine gastrointestinale Blutung (OR = 1,05) zu erleiden, nach der Datenlage nicht erhöht.
Die Autoren halten trotz dieser nichtsignifikanten Ergebnisse eine weitere umfangreiche multizentrische Studie zur endgültigen Beantwortung der Frage, ob hochdosierte GIukokortikoide bei Schädel-Hirn-Trauma nützlich sind, für indiziert. Hierfür müßten bei dem vermutlich geringen Nutzen der Therapie ca. 20000 Patienten rekrutiert werden, eine Zahl, die unrealistisch ist. Die Autoren berichten, daß die US-amerikanische „Brain Trauma Foundation“ vor zwei Jahren die Empfehlung ausgesprochen hat, Glukokortikoide bei Schädel-Hirn-Trauma nicht mehr zu verwenden. Angesichts der massiv katabolen und immunsuppressiven Wirkung hochdosierter Glukokortikoide bei fraglichem Nutzen ist diese Empfehlung verständlich.
Fazit: Der Nutzen einer routinemäßigen, hochdosierten Glukokortikoidtherapie bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma ist nicht erwiesen. Eine hochrangige amerikanische Expertengruppe hat kürzlich von ihrer Anwendung abgeraten.